Vielleicht noch bis Weihnachten

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko ist noch lange nicht unter Kontrolle und ihre Folgen für die Ölindustrie schon gar nicht

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Das Öl im Golf von Mexiko sprudelt munter weiter aus dem Boden, und der größere Teil gelangt immer nochr in die Umwelt. Je nach dem, welche Abschätzung die richtige ist, sind die 11.000 Barrel, die BP täglich auffangen kann, die Hälfte, ein Drittel oder gar nur ein gutes Zehntel der austretenden Menge.

Und das wird noch lange so bleiben. Wie berichtet spricht BP selbst davon, dass das Loch frühestens Mitte August verschlossen werden kann. Andere sind da wesentlich pessimistischer. Die britische Zeitung Guardian zitiert den Präsidenten der Beraterfirma Quantum Reservoir Impact Nansen Saleri, der als "eine der weltweit führenden Autoritäten des Umgangs mit Ölquellen" gilt: "Ich weiß, dass es eine besorgniserregende Einschätzung ist, aber jeder sollte sich darauf vorbereiten, dass es bis Weihnachten dauern könnte", die Quelle abzudichten. Das sei aber nur das worst-case-Szenario. BP werde wahrscheinlich schon vorher Erfolg haben, aber die technischen Herausforderungen seien enorm. Saleri weiß, wovon er spricht. In früheren Jahren hatte er bei Saudi Aramaco und Chevron bereits mit vier Ölquellen zu tun, die außer Kontrolle geraten waren.

Unterdessen hat US-Präsident Barack Obama BP aufgefordert, Kapital für einen Fonds zurückzulegen, aus dem Schadensersatzforderungen beglichen werden können. Wahrscheinlich wird für die ganze Ölindustrie viel vom Ausgang des Streits zwischen der US-Regierung und BP einerseits und der Summe der Schäden abhängen. An der Londoner Börse machen sich die ersten Beobachter bereits Sorgen. "Jetzt, wo klar wird, wie schwierig die Beseitigung von Problemen in tiefen Gewässern sein kann, fragt es sich, ob es wirklich so vorteilhaft ist, in tiefen und sehr tiefen Gewässern bohren zu können", zitiert die Nachrichtenagentur AFP einen namentlich nicht genannten Analysten der Investmentbank Barclays Capital.

Mittelfristig hätte es mit Sicherheit Auswirkungen auf den Ölpreis, wenn auf die Erschließung neuer Felder in der Tiefsee verzichtet werden müsste. Dort liegt nämlich ein nicht kleiner Teil der noch unerschlossenen Vorkommen. Die leicht zugänglichen Quellen sind meist längst angezapft. Bisher zeigt sich der Preis für Rohöl an den internationalen Börsen jedoch nicht von dem Desaster beeindruckt. Vermutlich ist das damit zu erklären, dass es bisher, anders als zum Beispiel ein über den Golf von Mexiko hinweg ziehender Hurrikan, keinen kurzfristig spürbaren Einfluss auf die globale Fördermenge hat.