"Von Idealvorstellungen abrücken"

Schweizer Bundesgericht hält die Teilnahme einer 14jährigen Muslima am gemeinsamen Schwimmunterricht unter bestimmten Bedingungen für zumutbar

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Die Frage gehört zu den klassischen Topoi der Integrations-Debatte: Unter welchen Umständen greift die Teilnahme eines muslimischen Mädchens am gemeinsamen Schwimmunterricht in die Religionsfreiheit ein?

Zwar hatte das höchste Gericht der Eidgenossenschaft in einer früheren Entscheidung geltend gemacht, dass die verpflichtende Teilnahme am gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht "in den Schutzbereich der Religionsfreiheit fällt" und hatte damit einer Beschwerde muslimischer Eltern stattgegeben. Im aktuellen Fall sah es jedoch Bedingungen vorliegen, die das Moment der Integration als wichtigeres Gut in den Vordergrund rücken.

Zu den Bedingungen, welche das Gericht bei seinem Urteil berücksichtigte, zählte zum einen, dass das 14jährige Mädchen, dessen Eltern ein Dispensgesuch an Behörden richteten, an einem Schwimmunterreicht teilnehmen sollte, der ausschließlich Mädchen vorbehalten war - und dass es dem Mädchen gestattet war, einen Burkini zu tragen, einen Ganzkörperschwimmanzug. Damit sei das Mädchen "ähnlich verhüllt wie im Schulzimmer oder auf der Strasse". Angeführt wurde darüberhinaus, dass das Schwimmbad Einzelkabinen zum Umziehen und Duschen zur Verfügung stelle. Das führte das Gericht zur Bewertung, wonach der Eingriff in die Religionsfreiheit in diesem Fall „sehr geringfügig und verhältnismässig“ anzusehen sei.

Dass der Schwimmunterricht von einem Mann abgehalten wird, sah das Gericht als zumutbar an. Dies müsse hingenommen werden, zitiert die schweizer Zeitung NZZ den Richterbeschluss. Als Leitgedanke des Urteils wird von der Zeitung herausgestellt, dass islamische Kinder nicht in eine Außenseiterrolle gedrängt werden sollten und "Integration statt unerwünschter Segregation" gefördert werden soll. Den Schulbehörden attestiert das Gericht, dass es den Eltern, die sich angeblich auf ein "besonders strenges Verständnis des Islam berufen" haben, weit entgegengekommen sei. Ihnen sei zuzumuten, "von ihren Idealvorstellungen hinsichtlich der Ausgestaltung des Schwimmunterrichts abzurücken und die hiesigen sozialen und gesellschaftlichen Gegebenheiten zu akzeptieren".