Von Waldeslust und Waldeseinsamkeit

Außer Kontrolle

Die Zeiten, als der Wald noch unberührte Zufluchtsstätte war, sind vorbei. Die Überwachung ist auch in die Waldregionen fortgeschritten

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Waldesruh?

"Wenn die Wipfel über mir schwanken,
Da klingt die ganze Nacht.
Das sind im Herzen die Gedanken,
Die singen, wenn niemand wacht."

So schrieb einst Joseph von Eichendorff über den Wald und nicht nur er fand poetische Worte für die Einsamkeit, die innerhalb des Waldes zum Nachdenken und Lauschen einlädt. Der Wald spielt nicht nur in der Poesie, auch im Bereich Film und Literatur, im Allgemeinen ist er allgegenwärtig, dabei reichen die Phantasien über gerade auch das Bedrohliche im Wald, die Möglichkeit, sich zu verirren, über die altbekannten Märchen wie Rotkäppchen bis hin zu "Tanz der Teufel". Bäume und Wälder haben auch stets ihre Symbolhaftigkeit bewahrt, wie z.B. Bernhard Wiens in Schattigste Eichen, schweigend rauschende Wälder ausführte.

Doch das, was mit der Entwicklung der Photographie begann, macht auch vor der Waldeseinsamkeit nicht halt – nicht nur werden einstige Momentaufnahmen für eine lange Zeit konserviert, durch die immer kleiner werdenden Kameras und fehlendes Gefühl für anderer Leute Privatsphäre wird eben diese Privatsphäre nach und nach ausgehöhlt. Während die Allgegenwärtigkeit der Videokameras im öffentlichen Bereich schon meist zu einer Abstumpfung geführt hat, so ist die Annahme, im Walde würde man sich noch allein und unbeobachtet wähnen können, weit verbreitet. Doch auch in den Wäldern sind, beileibe nicht nur auf den angrenzenden Rastplätzen, zum Schutz vor Vandalismus, Videokameras bereits installiert, auch im Wald selbst finden sie sich und nehmen so, ungefragt und unbeabsichtigt, so manches Private auf.

Waldeslust

Der Zweck der Kameras ist dabei nicht, ungefragt Wanderer... zu erfassen, sondern vielmehr die tierischen Bewohner, namentlich das Wild. Die Jäger bekommen so einen Eindruck über die Wege des Wildes, den Bestand etc. Salopp gesagt erspart so manche Kamera das stundenlange Sitzen auf dem Hochstand/-sitz. Doch wie alle Videokameras, die zudem noch recht unauffällig angebracht werden, unterscheiden die Kameras nicht zwischen Wild und Mensch, weshalb sich dann auch Aufnahmen auf der Speicherkarte wiederfinden, die nicht für die Jäger gedacht waren.

So jüngst in Kärntnen geschehen, wo ein Politiker sich im Wald der Waldeslust hingab, dem "Liebesspiel", wie es beim ORF poetisch heißt. Die Wildkamera jedenfalls zeichnete seine Aktivität auf, auch ein nächtliches Liebesspiel wäre hier aufgezeichnet worden, da die Kameras auch bei Nacht mittels Infrarot für deutliche Bilder sorgen. Zwar weist die dortige Jägerschaft darauf hin, dass größtenteils an Futterstellen gefilmt wird und dort ja ein Betretungsverbot im Umkreis von 400m besteht, dennoch bleiben die Fragen offen, wie denn auf die Videokameras hingewiesen wird, auf die Speicherdauer und auf die Verantwortlichen. Hans Zeger von der Arge Daten wies in dem Zusammenhang noch einmal darauf hin, dass Videokameras, die auch Bilder aufnehmen, die Personen eindeutig identifizierbar machen, genehmigungspflichtig sind, doch die Frage ist, wie die kleinen, oftmals auch den Aufnahmeplatz wechselnden Kameras tatsächlich ausgeschildert werden können und sollten. Ein Schilderwald im Wald ist letztendlich auch nicht das, was wirklich erwünscht ist.

Ein Verzicht auf Wildkameras wäre insofern letztendlich eher wünschenswert, doch der technische Fortschritt macht nun einmal auch vor dem Wald nicht halt. Der Wald als Bastion der Einsamkeit, der Privatsphäre, des "Unbeobachtet-Gespräche-Führens" ist insofern ein Relikt. Dabei geht es nicht darum, dass jemandem andere Personen begegnen können, sondern darum, dass eben unbemerkt und unangekündigt die kleinen "elektronischen Augen" auch im Wald schon zusehen können.