Vorurteilsfreie Geheimdienstagenten?

Iarpa, die Forschungsbehörde der Geheimdienste, will Agenten künftig mit "Serious Games" trainieren

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Ob Schlapphüte und ihre zwielichtigen Informanten und Spitzel tatsächlich dem demokratischen Rechtsstaat, dem sie dienen sollen, einen Vorteil bringen, darf nach dem Debakel über die mörderische Neonazi-Zelle und den seltsamen Verwicklungen mit dem Verfassungsschutz bezweifelt werden. Entweder man muss von systemischen Pleiten und Pannen sprechen oder man neigt eher verschwörungstheoretischen, aber gar nicht so abwegigen Gedanken einer verqueren Zusammenarbeit zu.

Wie auch immer, die Schlapphüte haben auch in den USA nicht erst seit den Anschlägen vom 11.9. ein Glaubwürdigkeitsproblem. Über den Irak, in den die USA einmarschiert sind, gab es wenig Kenntnisse, der arabische Frühling ging an den Geheimdiensten vorbei, und was im Iran oder in Nordkorea wirklich los ist, das scheint auch unbekannt zu sein.

Also hofft man bei der Intelligence Advanced Research Projects Agency (Iarpa) dem Problem technisch beikommen zu können und setzt beispielsweise auf eine Schulung durch Computerspiele. Die der Darpa nachempfundene Forschungsbehörde der Geheimdienste investierte schlappe 10.5 Millionen US-Dollar in den Rüstungskonzern Raytheon, wie Wired berichtet, um das Programm Sirius zu starten. Damit will man Ausbildungsspiele schaffen, mit denen die Agenten der Jetztzeit besser komplexe oder fremde Situationen verstehen können.

Beiseite geräumt werden sollen die Vorurteile, die insbesondere im "Krieg gegen den globalen Terrorismus", also gegen den islamistischen Terrorismus, dem Islam und den islamischen Ländern vorgeherrscht haben. Vor dem Einmarsch im Irak ging man davon aus, dass man nur die Hussein und die Führungselite beseitigen müsste, um das Volk für die Befreier einzunehmen.

Jetzt sollen nicht Politiker, Geheimdienste oder Militärs die Vorlagen liefern, sondern Computerwissenschaftler, Kognitionswissenschaftler Statistiker und Experten für Computerspiele und virtuelle Welten. Die wissen zwar über reale fremde Welten auch nicht besser Bescheid, gelten aber offenbar als vorurteilsfreier, um Szenarien für "Serious Games" zu entwickeln, mit denen sich durch "Learn by Doing" Vorurteile korrigieren oder überwinden lassen. Und auch der "blinde Fleck" soll überwunden werden, der sich unter anderem in der Projektion äußert, dass alle Menschen die Welt genau so sehen wollen, wie dies die Amerikaner machen: "The tendency to unconsciously assume that others share one's current emotional states, thoughts and values."

Der Ansatz ist eigentlich ganz einfach. Es sollen Szenarien entwickelt werden, in denen sich Variablen verändern lassen, um so zu überprüfen, wie sich dies auf die Bewertung der Geheimdienstler auswirkt bzw. zu welchen kognitiven Vorurteilen sie jeweils neigen. Damit soll die Grundlage für ein effektives Training mittels "Serious Games" geschaffen werden. Allerdings wird man hier nur die Vorurteile vermeiden können, die man auch selbst als solche wahrnimmt Erfreulich darf man zur Kenntnis nehmen, dass nun der Versuch, Vorurteile zu korrigieren, selbst bei den US-Geheimdiensten angekommen ist, freilich auch nur aus dem Grund, weil bislang so viel schief gelaufen ist und weil vermutlich auch die Versuche, verlässliche Informationen automatisch durch Sammeln, Auswerten und Bewerten von Daten nicht recht weitergekommen sind. Und was wäre das Ergebnis, wenn der Bildungsauftrag gelingen würde? Menschen, die andere Kulturen verstehen, um so besser die eigenen Interessen durchsetzen zu können