Wall Street verändert das Gesicht

Dinosaurier General Motors und die einst weltgrößte Bank Citigroup werden ab Montag nicht mehr im Dow vertreten sein

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Sie waren früher Schwergewichte an der Wall Street. Doch ab Montag werden der einst weltgrößte Autobauer General Motors (GM) und die einst weltgrößte Bank Citigroup nicht mehr im Dow-Jones-Index vertreten sein. Am 1. Juni hatte GM die Insolvenz als letzte Chance zu seiner Rettung beantragt. Zur Sanierung soll die bisherige Opel-Mutter verstaatlicht werden. Diese Insolvenz ist das größte Gläubigerschutz-Verfahren seiner Art in der US-Geschichte. Mehr als 84 Jahre befand sich General Motors auf der Liste der 30 bedeutendsten Unternehmen der USA.

Das Insolvenzverfahren soll im Schnelldurchgang in zwei bis drei Monaten abgeschlossen ein. Der Staat soll 72 % am neuen Konzern übernehmen und die Sanierung finanzieren. Dafür werden die Steuerzahler mit mindestens 50 Milliarden US-Dollar zur Kasse gebeten. Der US-Präsident Barack Obama rechtfertigte die Verstaatlichung von GM als "alternativlos", weil ein Zusammenbruch des Konzerns "enormen Schaden" für die gesamte US-Wirtschaft angerichtet hätte. Er erklärte, die Regierung wolle ihren Mehrheitsanteil schnell wieder abgeben.

Doch auch die Citigroup hat ihre Position im Dow verloren, ein Insolvenzantrag war dazu nicht nötig. Dass die von der Finanzkrise schwer gebeutelte Citigroup aus dem Dow fliegt, wird damit begründet, dass bei der "tiefgreifenden Umstrukturierung" die "Regierung eine beträchtliche und dauerhafte Beteiligung zufallen" werde. Auch so kann man die Verstaatlichung umschreiben. Denn obwohl die Quartalszahlen der Citigroup aufgehübscht wurden, klaffen weiter große Finanzlöcher.

Interessant war in der letzten Woche, dass an der Wall Street die US-Rekordarbeitslosigkeit in 26 Jahren mit Kursgewinnen gefeiert wurde. Die Quote stieg im Mai auf offizielle 9,4 %. Das müsste eigentlich zu denken geben, schließlich wurde im Stress-Test der Banken im "Worst-Case-Szenario" mit einer Quote von nur 8,9 % gerechnet. Doch die Marke wurde schon im April gerissen. So bestätigt sich, dass der Stress-Test keiner war und sich die Lage der Banken viel schlechter darstellen muss, als dies derzeit zugegeben wird. Dazu trägt die zunehmende Verschleierung der kreativen Buchführung bei.

Die übliche jahreszeitliche Tendenz hat zu einer Abschwächung der Zunahme der Arbeitslosigkeit geführte. Daran klammert man sich nun als Strohhalm. Das Arbeitsministerium hatte nur von 345.000 Stellen gesprochen, die "nur" im Mai vernichtet wurden. Seit dem Beginn der Rezession im Dezember 2007 gingen in den USA gut sechs Millionen Jobs verloren und weiter nähert sich die Arbeitslosenrate mit großen Schritten dem Rekordstand dem nach dem Zweiten Weltkrieg, der Ende 1982 mit 10,8 % verzeichnet worden war.

Einige Banken wollen nun zu Rückzahlungen von staatlichen Hilfsgeldern schreiten. Das hat wenig damit zu tun, dass sich in ihren Büchern keine "Unwerte" mehr türmen, sondern erneut treibt die Banker die Gier. Sie wollen sich von der Einmischung der Regierung freikaufen, denn mit den Staatsgeldern waren Beschränkungen bei Gehältern und Bonuszahlungen verbunden. Betriebswirtschaftlich ist die Rückzahlung ein neuer Fehltritt der Banker. Für das Geld aus dem US-Finanzministerium, das gemäß des Troubled Asset Relief Program (Tarp) gezahlt wurde, müssen nur lächerliche Zinsen von 5 % gezahlt werden. Einen besseren Satz erhalten die Banken nirgends und sie könnten damit das Betriebsergebnis schönen. Doch die Banker kehren lieber zu den Praktiken zurück, die zur Krise führen, obwohl die noch nicht einmal den Boden erreicht hat.

Ohnehin könnten gerade mit Rückzahlungen die Hiobsbotschaften aus dem Finanzsektor und hektische Rettungsaktionen zurückkehren. Denn die selektiven Rückzahlungen könnten die Finanzinstitute als gefährdet stigmatisieren, die sich den Schritt nicht erlauben oder betriebswirtschaftlich sinnvoller handeln. Das Geld zur Unterstützung der Banken war eigentlich auch dazu gedacht, dass es weiter an Verbraucher und Unternehmen fließt, um die Rezession zu bekämpfen.

Verstärkend auf die Rezession wirkt sich auch der hohe Ölpreis aus. Mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression hat der Ölpreis am Freitag sogar die Marke von 70-Dollar kurzzeitig geknackt und damit ein Sieben-Monats-Hoch erreicht. Die hohen Ölpreise wirken nun scheinbar deflationsdämpfend. Dabei zeigen nach Japan, USA, Spanien, Irland und Großbritannien immer mehr Länder gefährliche Deflationstendenzen. Das Statistische Bundesamt (Destatis) registrierte in einer Vorausschätzung in Deutschland im Mai gegenüber dem Vormonat einen Rückgang der Preise um 0,1 %. In der Schweiz sind im Mai die Preise gegenüber dem Vorjahresmonat um 1 Prozent gefallen, so stark wie seit 1959 nicht mehr. Nach den Angaben des Bundesamtes für Statistik sanken die Preise um 1 %. Im April war schon ein Rückgang von 0,3 % verzeichnet worden.