Watch around the clock

Neben der Spur

Bald soll man die Erde in Echtzeit beobachten können. Echt jetzt?

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Für alle, die immer noch glauben, dass die Erde eine Scheibe ist, kommt hier die schockierende Nachricht zwischendurch: Ausgerechnet SoftBank, Airbus und Bill Gates wollen zusammen einen Live Stream vom Globus ermöglichen. EarthNow soll mit nicht unerheblichem Kapitalbedarf eine Kette von Satelliten zur Livebeobachtung des Globus installieren. Da kann es dann passieren, dass die Erde als eine Kugel zu sehen sein wird. Aber vermutlich handelt es sich dann dabei um Fake News.

Gerichtet ist das Projekt an Regierungen und UNternehmen, die sich die Livesicht leisten können. Billig wird das am Anfang sicher nicht. Aber dann kann auch garantiert in Echtzeit, mit maximal zwei bis drei Sekunden Verzögerung einen Livefeed von jeder Stelle der Erde haben und zum Beispiel Wetter beobachten. Gut, vielleicht kein perfektes Beispiel, vor allem, wenn es wolkig ist, hält sich die Aussagekraft des Livestreams in Grenzen.

Der ein oder andere wird sich sagen: Moment mal, gibt es so etwas nicht schon und heisst Google Earth? Ja, nein, jein eigentlich nicht, denn das Produkt aus dem Hause Google glänzt ja nicht mit Livevideos sondern zum Teil veralteten statischen Aufnahmen von der Welt. Auch wenn angeblich 40 Prozent der Weltbevölkerung gerade auf Bilder schauen, die nicht älter als zwölf Monate sind, hat man bei aller Faszination über Google Maps manchmal schon das Gefühl, dass in Hannover schon länger keinen Dinosaurier mehr herumlaufen, das Bildmaterial also nicht sooo neuwertig sein kann.

EarthNow soll hingegen pro Satellit mit mehr Rechenpower ausgestattet sein als die restliche kommerzielle Satellitenflotte zusammen. Das mag vielleicht auch erklären, wo die ganzen C64 hingekommen sein könnten, die wir hier auf der Erde nicht mehr brauchen. Das Equipment scheint ein wenig veraltet zu sein.

Aber selbst dann, wenn dieser Service trotz aller Kosten live sein wird und vielleicht dann sogar Privatpersonen einen erschwinglichen Blick auf den Planeten ermöglichen könnte, wird es zu der einen oder anderen Irritation kommen. Ich spreche dabei gar nicht von der etwas merkwürdigen Eigenart der Erde immer zur Hälfte im Dunklen zu sitzen (Was übrigens der Theorie einer flachen Erde auch nicht gerade gut tut).

Es könnte vielmehr sein, dass aus ganz banalen Gründen die Nutzung von EarthNow eher suboptimal wird. Denn in einem Zeitalter, in dem manche von uns von ihnen selbst geschickte Spam Mail erhalten, und die meisten Zeitgenossen eigenltich nur noch mit Blick in ein Handydisplay auf der Strasse zu sehen sind, ist die Gefahr einer gewissen Motivverengung sehr hoch.

Will sagen: die meisten rufen dann einen solchen Service eh nur auf, um sich selbst anzuschauen. Und wenn sie sich nachts denn finden und begreifen, dass sie nicht durch das eigene Dach gefilmt werden können, sehen sie nur eine ziemlich bewegungsarme Aufnahme von einem Menschen, der auf einen Bildschirm starrt. Das wird sich nicht durchsetzen sondern eher ein wenig langweilen.

Den Stau auf der A1 wird sich ja auch keiner Live anschauen wollen.

Tja, lieber Bill Gates, wir wissen noch, wie das mit dem Telefonsystem Iridium lief. Deren Satelliten tauchen gerade glühend in die Erdatmosphäre ein und haben sich auch nicht wirklich amortisiert. Weltweit etwas anzubieten klingt immer super. Bis man in entsetzt feststellen muss: was darüber kommuniziert wird, könnte ein Witz sein.