Weiter Kritik an Verurteilung von Lula in Brasilien

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SPD und Linkspartei hinterfragen Urteil gegen den 72-jährigen Ex-Präsidenten. Widerspruch auch aus Brüssel

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Die Bestätigung eines erstinstanzlichen Urteils gegen den ehemaligen brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Sliva wegen Korruptionsdelikten sorgt weiter für Kritik. Politische Vertreter auch in Deutschland und im EU-Parlament beklagen ein politisch motiviertes Verfahren gegen den 72-jährigen Politiker der linksgerichteten Arbeiterparte (PT).

In Brasilien hat ein Bundesrichter indes die Ausreise des verurteilten Politikers verboten. Laut Justizministerium der De-facto-Regierung von Staatschef Michel Temer hat ein Bundesgericht den Entzug des Reisepasses des ehemaligen Staatschefs angeordnet. Lula hatte zu einer UN-Konferenz nach Äthiopien reisen wollen.

In der vergangenen Woche war eine gut neunjährige Haftstrafe gegen den Politiker von einem Berufungsgericht im brasilianischen Porto Alegre bestätigt worden (Putschisten in Richterroben) , die drei Richter erhöhten die Strafe auf zwölf Jahre. Urteil und Prozess sind nicht nur in Brasilien wegen einer fragwürdigen Beweisführung der Anklage heftig umstritten.

In Deutschland meldete sich unter anderem der SPD-Außenpolitiker Niels Annen zu Wort. Der Bundestagsangeordnete erkannte zwar an, dass die strafrechtliche Verfolgung von Korruptionsfällen "in einem demokratischen Rechtsstaat von großer Bedeutung" ist. Sie dürfe auch nicht vor bekannten Persönlichkeiten oder deren politischen Verdiensten haltmachen. "Allerdings muss eine Verurteilung auf stichhaltigen Beweisen basieren und darf nicht von Sympathien oder Antipathien geleitet sein", so Annen.

Im Falle des Urteils gegen Lula, das in zweiter Instanz sogar noch verschärft worden war, "gibt es leider starke Indizien dafür, dass es nicht Ergebnis eines fairen, rechtsstaatlichen Prinzipien genügenden Prozesses ist". In einem Klima politischer Polarisierung sei das Urteil offenbar nicht von strafrechtlich relevanten Vorwürfen getragen gewesen zu sein, "sondern vielmehr von einer über die großen brasilianischen Medien angefachten Welle der Diffamierung Lulas und der Arbeiterpartei", so Annen im SPD-nahen Online-Journal IPG.

Die Vorsitzenden der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, bezeichneten das Urteil eines Berufungsgerichts in Porto Alegre als "juristischen und politischen Skandal, zu dem die geschäftsführende Bundesregierung umgehend und deutlich Stellung beziehen muss". Das Ermittlungs- und Gerichtsverfahren sei von zahlreichen Rechtsverstößen und der Befangenheit des zuständigen Richters gekennzeichnet gewesen. "Dieses politische Manöver muss verurteilt werden, damit sich die politischen Krisen in Brasilien und Lateinamerika nicht weiter verschärfen", so die Linkspolitiker.

Wagenknecht und Bartsch zeigten sich zugleich davon überzeugt, "dass mit den juristischen Winkelzügen eine politische Partei und ein Politiker bekämpft werden, die von der Machtelite Brasiliens als Gefahr gesehen werden". Die Anhebung des Mindestlohns um 54 Prozent, die Befreiung von über 50 Millionen Menschen aus der Armut und viele Sozialprogramme durch die PT hätten nicht nur für eine Umverteilung gesorgt, sondern auch die Interessen der Oberschicht berührt.

Die linksgerichtete Fraktion GUE/NGL im Europaparlament sah in der Bestätigung und Verschärfung des Urteils gegen Lula einen "herben Rückschlag für die Demokratie in Brasilien". Das gesamte Verfahren gegen Lula habe "in einem feindlichen Umfeld stattgefunden, in dem die Restauration des Konservatismus ungebremst voranschreitet, während soziale Errungenschaften der vormaligen Regierungen zerstört werden", hieß es von der Linksfraktion aus Brüssel. Vor diesem Hintergrund sei das Verfahren gegen Lula als politisches Manöver zu werten, zumal der Expräsident die Umfragen für die Wahlen im Oktober anführt.