Welches System unterstützen deutsche Soldaten in Afghanistan?

Nach Verteidigungsminister Jung müssen deutsche Soldaten den Terror in Afghanistan zurückdrängen, "bevor der Terror zu uns kommt".

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Gerade erst hat die deutsche Regierung beschlossen, den Einsatz in Afghanistan zu verlängern und die Truppen aufzustocken. Zwei junge deutsche Soldaten sind bei einem Selbstmordanschlag getötet, zwei weitere verletzt worden, zudem starben 5 afghanische Kinder, die sich gerade in der Nähe des Konvois aufhielten.

Verteidigungsminister Jung war, wie es bei diesen Gelegenheiten so heißt, entsetzt über diesen "feigen, hinterhältigen Selbstmordanschlag", auch wenn es für die Soldaten im "Friedenseinsatz" auch nicht besser gewesen wäre, wenn sie im offenen Kampf gestorben wären und der "feige" Attentäter sich immerhin auch selbst getötet hat. Man dürfe aber nicht zurückweichen, betonte er, schließlich wird am Hindukusch, wie schon sein Vorgänger sagte, Deutschland verteidigt. Bei Jung klingt das so: Es sei wichtig, "den Terror in Afghanistan zurückzudrängen, bevor der Terror zu uns kommt". Das könnte man natürlich auch gerade umgekehrt sehen.

Immerhin beschränkte sich Jung auf die Sicherheitsinteressen Deutschlands, erwähnte gerade noch, dass die deutschen Soldaten die Sicherheit für den Wiederaufbau leisten müssten. Die internationalen Truppen unterstützen aber auch die Karsai-Regierung und das seit Jahren korrupte System. Gerade die Deutschen haben auch afghanische Polizisten (miss)ausgebildet, wie sich nun durch einen Unicef-Bericht herausstellte, die massenhaft oder fast systematisch Kinder und Jugendliche misshandeln, foltern und schlagen. Der Unterschied zu einer Taliban-Herrschaft wird da fraglich.

Und wenn man sich jetzt anschaut, dass der junge Journalist Sayed Parwez Kambakhsh, der letztes Jahr wegen Blasphemie festgenommen und im Januar von einem Gericht zum Tode verurteilt wurde, weil er einen Artikel aus dem Internet heruntergeladen hatte, in dem für die Gleichheit der Rechte zwischen Mann und Frau plädiert wurde, nun zwar nicht mehr sterben soll, sondern nach dem Urteil des Berufungsgerichts in Kabul nur noch 20 Jahre Gefängnishaft erhielt, dann sollte schon auch einmal in der deutschen Öffentlichkeit diskutiert werden, welches politisches System man unterstützt.

Sayed Yaqub Ibrahimi, der Bruder des Verurteilten und ebenfalls Journalist, will nun vor das oberste Gericht gehen - und er hat gerade in einem Artikel vor der "Islamisierung" des afghanischen Rechtssystems durch 2ultrakonservative Richter" gewarnt. Er verweist auf den Fall seines Bruders und auf den von Ghaus Zalmai, der wegen der Übersetzung des Korans in die Farsi-Sprache ebenfalls zu 20 Jahre Gefängnishaft verurteilt wurde. Dieselbe Strafe erhielt Mullah Qari Mushtaq Ahmad, der von Seiten der Religion das Plazet zu der Übersetzung gegeben hat. Der Verleger des Buchs, Mohammad Atif Noori, wurde zu 5 Jahren verurteilt. Ibrahimi schreibt, dass Karsai in einer Zwickmühle stecken mag, aber dass sich die Lage verschlechtert: "The Afghan judiciary is increasingly seen as a nest of fundamentalists, which is, moreover, deeply corrupt. The bench is dominated by holdovers from the Taleban regime, hardliners who believe that their interpretation of Sharia law should trump any guarantees provided in the constitution. On all levels, bribery is rampant and faith in the justice system is eroding."