Wie Schnee in der Frühlingssonne

Die relative Bedeutung der G7 nimmt rasch weiter ab

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Während die Gruppe der Sieben (G7) dieses Jahr Deutschland mit ihren martialisch von öffentlichen Protesten abgeschirmten Treffen in Atem hält, verschiebt sich der Schwerpunkt der Weltwirtschaft mehr und mehr nach Osten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sagt in seiner neuesten Regionalprognose Asien und Ozeanien ein weiter kräftiges Wachstum voraus. (Diese IWF-Region umfasst die Länder östlich von Pakistan, einschließlich Australien und die pazifischen Inselstaaten. West-, Nord-, und Zentralasien gehören zu anderen Regionen. Hier die Länderliste und die Voraussagen im Einzelnen.)

Als Ganzes ist diese Region 2013 um 5,9 und 2014 um 5,6 Prozent gewachsen. Für die kommenden beiden Jahre erwartet der IWF eine Zunahme der Wirtschaftsleistung um 5,6 und 5,5 Prozent. Dabei verlagern sich etwas die Schwerpunkte. Während das inzwischen deutlich entwickeltere China in der Erwartung des Fonds etwas abkühlt und nach 7,4 Prozent 2014 noch 6,8 und 6,3 Prozent wächst, dreht Nachbar Indien richtig auf. Dort kann sich die hindu-nationalistische Regierung auf ein Plus von jeweils 7,5 Prozent freuen (2013 waren es 6,9 Prozent, 2014 7,2).

Auch das benachbarte Bangladesch, lange Zeit eines der ärmsten Länder des Planeten, wächst schon seit geraumer Zeit in einem ähnlichen Tempo. 2001 betrug das jährliche Bruttonationalprodukt pro Einwohner erst 360 US-Dollar, 2013 waren es bereits 900 US-Dollar. Das ist um so beachtlicher, als zwischenzeitlich seine Bevölkerung weiter stark gewachsen und nun fast schon doppelt so groß wie die der Bundesrepublik ist.

Derweil ist Indien allerdings mit einer Volkswirtschaft, die nicht einmal halb so groß wie die Chinas ist, noch weit davon entfernt, dieses einzuholen. Auch ist die Vorhersage des IWFs für China etwas mit Vorsicht zu genießen. Das Planziel der dortigen Regierung liegt bei rund sieben Prozent Wachstum und im Augenblick sieht es sehr danach aus, dass dies mit entsprechenden Stimuli auch erreicht werden soll. Insgesamt lässt sich sagen, dass einige Rohstoffexporteure wie Malaysia, Australien und Brunei unter den niedrigen Preisen für ihre Waren leiden, während der Rest der Region vom billigen Öl und den günstigen Grundstoffen profitiert.

(Bild: IWF)

Interessant ist indes ein Blick auf das Verhältnis zum Rest der Welt. Die obige Grafik zeigt das Wachstum der Weltwirtschaft und farbig abgesetzt die Anteile verschiedener Regionen daran. Berechnet ist beides jeweils nicht auf der Basis von Wechselkursen, sondern auf der sogenannter Kaufkraftparitäten (purchasing power parities ppp).

Zu sehen ist, dass schon seit Beginn der 1990er Jahre rund die Hälfte des globalen Wirtschaftswachstums meist in Asien (wie vom IWF definiert) stattfindet, und zwar mit der deutlichen Ausnahme Japans. Nur in den Jahren der Asienkrise 1997/98 gab es einen markanten Einschnitt. Ab Beginn des neuen Jahrtausends nimmt Asiens Anteil (wiederum mit der Ausnahme Japans) dann weiter zu, und im schweren Krisenjahr 2008 blieben China und "Rest of Asia" der einzige Fels in der Brandung, während in den alten Industriezentren die Wirtschaft massiv schrumpfte. Inzwischen geht auf Asiens Konto 40 Prozent der globalen Produktion aber regelmäßig zwei Drittel des Wachstums, das heißt, das Gewicht der Region wächst ständig weiter, und seine Rolle als neues altes Zentrum der Weltwirtschaft ist bereits zum Greifen nahe.

Der relative Niedergang der G7, die zur Zeit ihrer Gründung Mitte der 1970er Jahre noch den aller größten Teil der Weltwirtschaft mit Ausnahme Osteuropas kontrollierten, wird von der obigen Grafik sogar noch unterschätzt. Zum Rest der Welt (Others) zählen nämlich auch die zum Teil schnell wachsenden Länder Afrikas und Lateinamerikas. Während das Bild in Südamerika seit dem Einbruch 2008 eher durchwachsen bis trübe ist, sagt der IWF Afrika auch für die kommenden Jahre kräftiges wenn auch etwas verlangsamtes Wachstum voraus. Die materielle Basis für den hierzulande tief verwurzelten Eurozentrismus schmilzt also gerade dahin wie Schnee in der Frühlingssonne.

P.S.: Eine andere aber damit zusammenhängende Frage ist, was das Alles angesichts der zunehmenden Kapitalexporte und der Internationalisierung der Besitzverhältnisse der Großkonzerne für die Struktur der Weltwirtschaft und des ganzen Weltsystems bedeutet.