Windkraft: Boom-Jahr 2014

Im vergangenen Jahr wurde in Deutschland mehr Windkraftleistung installiert als je zuvor

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Der Ausbau der Windenergie hat in Deutschland im vergangenen Jahr einen neuen Rekord geknackt und alle Erwartungen gebrochen. Das gaben am Donnerstag in Berlin der Bundesverband Windenergie (BWE) und der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau - Fachverband Power Systems (VDMA Power Systems) bekannt. Demnach wurden an Land im vergangenen Jahr Anlagen mit einer Leistung von insgesamt 4750 Megawatt (MW) errichtet. Bisheriges Spitzenjahr war 2002 mit rund 3200 MW. (Siehe erste Abbildung.)

(Bild: Deutsche WindGuard)

Und woher der große Erfolg? BWE-Präsident Hermann Albers: "Dies war nur möglich, weil Landesregierungen von Bayern bis Mecklenburg-Vorpommern, vom Saarland bis Schleswig-Holstein unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe in Fukushima seit 2011 neue Flächen für die Nutzung der Windenergie an Land ausgewiesen hatten"“ Die beiden Verbände sehen aber auch einige Sonderfaktoren, die zum Boom geführt haben:

Die Tatsache, dass der Zubau so dynamisch erfolgt und damit auch über unseren Prognosen liegt, hängt allerdings auch an der Verunsicherung durch neue Abstandsregelungen in Bayern und die Debatten um das EEG. Ein kontinuierlicher und weniger sprunghafter Ausbau der Windenergie ist für die Industrie und die Energiewende, bei der Strom, Mobilität und Wärme zusammengedacht werden müssen, unerlässlich.
BWE-Präsident Hermann Albers

Die Verteilung der Windkraftnutzung ist derweil nach wie vor recht ungleichmäßig. Süddeutschland hat zwar ein klein wenig aufgeholt und hat jetzt 13 Prozent an der installierten Leistung. Allerdings erfolgte rund 27 Prozent des Neubaus allein im vergleichsweise kleinen und wenig industrialisierten Schleswig-Holstein, das mit in der Rangliste der Windländer nur noch knapp hinter Brandenburg auf Platz drei landet, gemessen an der insgesamt installierten Leistung. Das grün reagierte Baden-Württemberg installierte 2014 hingegen nur acht Windkraftanlagen mit einer Leistung von 18,65 MW und lag damit in Sachen Zubau auf dem letzten Platz unter den Flächenländern.

(Bild: Deutsche WindGuard)
Repowering

Anders als im bisherigen Rekordjahr 2002 spielt inzwischen das sogenannte Repowering eine wachsende Rolle. So bezeichnet man in der Branche den Ersatz alter Anlagen durch neue. Diese sind erheblich leistungsstärker, so dass Repowering meist eine Reduktion der Anlagenzahl bei zum Teil erheblicher Leistungssteigerung bedeutet.

Konkret wurden 2014 mindestens 544 Anlagen mit einer Leistung von zusammen 364 MW abgebaut. Beim BWE geht man allerdings davon aus, dass der reale Wert noch etwas höher ist, da nicht alle ersetzten Anlagen erfasst worden seien. Netto wären 2014 damit 4386 MW neue Windkraftleistung hinzu gekommen. Auch das ist noch deutlich mehr als in allen bisherigen Jahren.

Lars Bondo Krogsgaard vom VDMA geht davon aus, dass Repowering sich zu einem wichtigen Zukunftsmarkt entwickelt. 2014 sei es zu einem Milliardengeschäft geworden. Mehr als 1000 MW sind im vergangenen Jahr nach seinen Angaben im Rahmen der Ersatzinstallation ans Netz gegangen. Wie der obigen Abbildung zu entnehmen, ist erstens der Repoweringanteil in den letzten Jahren deutlich gewachsen und kommen zweitens inzwischen auch immer mehr Windräder in ein Alter, das einen Ersatz durch moderne Anlagen sinnvoll macht (siehe in der ersten Abbildung den deutlichen Anstieg des Zubaus ab 1999).

Anlagengröße

Kürzlich hatte ein Leser aus Nordfriesland in einer Zuschrift angeregt, eine Mindestgröße von Anlagen müsse her, um die Zahl der benötigten Windräder zu beschränken. Fünf MW als Mindestmaß schwebten ihm vor. Sicherlich ein sinnvoller Gedanke. Maschinen der entsprechenden Größe gibt es längst am Markt, wenn auch noch nicht von allen Herstellern.

(Bild: Deutsche WindGuard)

Wie die dritte Grafik zeigt, wächst aber auch ohne einen verordneten Zwang zur Mindestgröße die durchschnittliche Anlagenleistung von Jahr zu Jahr. Da größere Anlagen auch mit größerem Abstand errichtet werden, dürften damit die dichten Wälder von vergleichsweise kleinen Anlagen, die heute noch in vielen Gegenden an der Nordsee und der Unterelbe anzutreffen sind und meist aus den 1990er Jahren stammen, voraussichtlich in einigen Jahren der Vergangenheit angehören.

Strompreis

VDMA Power Systems und BWE gehen davon aus, dass der Onshore-Ausbau der Windenergie – im Gegensatz zu offshore, aber das ist unter den Akteuren ein strittiges Thema, das möglichst vermieden wird – einen eher dämpfenden Einfluss auf die Verbraucherstrompreise hat.

Laut Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wird an Land erzeugter Windstrom derzeit in den ersten fünf Jahren mit 8,9 Cent pro Kilowattstunde vergütet. In den folgenden 15 Jahren gibt es 4,9 Cent/KWh. Bei zu geringem Ertrag wird die Frist, in der die Anfangsvergütung gezahlt wird, etwas verlängert. Wird der Strom selbst vermarktet, was beim Windstrom inzwischen überwiegend der Fall ist, gibt es eine Marktprämie, die eine etwaige Lücke zwischen dem Verkaufspreis und der garantierten Vergütung ausgleicht.

Weltmarkt

Auch auf dem Weltmarkt ging es 2014 wieder nach oben. Nach Einschätzungen von VDMA Power Systems wurden an Land weltweit etwa 44.000 MW installiert. Das entspräche einem Plus von 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mehr als ein Drittel davon, nämlich etwas über 20.000 MW (20 Gigawatt), wurden in China installiert, wo nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg inzwischen 96 GW, also mehr als das Doppelte der in Deutschland installierten Leistung, errichtet wurde.

Auch in den USA hat sich der Markt wieder etwas erholt. Dort wurden einem anderen Bloomberg-Bericht zur Folge 4850 MW installiert. Bloomberg gibt übrigens in einem letzte Woche veröffentlichten Beitrag den deutschen Zubau mit 3200 MW noch deutlich niedriger und nur knapp vor Brasilien (2900 MW), gefolgt von Indien (2300 MW), an. Für Brasilien war das ein neuer Zubaurekord.

Aussicht für die nächsten Jahre

Und wie geht es im Inland weiter? Die beiden Verbände rechnen auch für das kommende Jahr mit einem starken Zubau von 3500 bis 4000 MW. Das würde wiederum über dem im EEG seit letztem Sommer fixierten Zubaukorridor von 2500 MW netto liegen und damit die Einspeisevergütung und Marktprämien für Neuanlagen weiter drücken. Dennoch rechnen die Branchenvertreter für 2016 mit einem Ausbau auf "hohem Niveau", wenn auch nicht mehr ganz so hohem wie vermutlich in 2015.

Wie die Perspektive ab 2017 aussieht, hängt entscheidend davon ab, wann es zu Ausschreibungen kommt und wie diese gestaltet werden. (...) Wir wünschen uns, eine sorgfältige Entwicklung des Systemwechsels hin zu einem Ausschreibungsverfahren mit klar definierten Übergangsfristen.
Lars Bondo Krogsgaard, VDMA

Der BWE ist der Frage der kommenden Ausschreibepflicht, wie berichtet, erheblich skeptischer. Am Mitwoch hatte der Verband eine Studie veröffentlicht, die die Erfahrungen anderer Länder mit einem System der Ausschreibungen zusammenfasst. Diese habe belegt, heißt es beim BWE, "dass die Ziele der Bundesregierung - Kosteneffizienz, Zielerreichung, Akteursvielfalt – (mit Ausschreibungen) kaum zu erreichen sind".

Die Beschäftigten der Branche und die in den vielen Bürgerwindparkprojekten engagierten Menschen sehen mit großer Skepsis einen völligen Systemwechsel am Horizont. Es droht ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Wie sich Ausschreibungen angesichts immer längerer und komplexer Planungsverfahren bewerkstelligen lassen, ist noch nicht erkennbar. Genau dies wäre allerdings unerlässlich um Planungs- und Investitionssicherheit zu behalten.
BWE-Vizepräsident Jan Hinrich Glahr