Wulff: Wann, wenn nicht jetzt?

Das Fernsehinterview war kein Befreiuungsschlag, sondern nur Rechtfertigung eines gewieften Berufspolitikers, nach dem DeutschlandTrend hat Wulff den Rückhalt in der Bevölkerung verloren

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Bundespräsident Wulff hat mit seinem Fernsehtermin, bei dem er sich nur den Fragen von ARD und ZDF stellte und lästigen Nachfragen ausweichen konnte, wohl nicht gepunktet. Er stellte sich als fehlerhafter, aber eigentlich untadeliger Mensch hin, der er halt als Bundespräsident auch ist. Und er gab sich vor allem als Opfer aus, das doch nur menschlich reagiert habe, verwies aber zugleich darauf, dass er ansonsten doch als Ministerpräsident bei reichen Freunden günstige Kredite holen und ebensolche Urlaube in deren Domizilen genießen könne. Die Selbstbegnadigung dürfte dem Berufspolitiker aber wohl eher schaden.

Der Mann hat natürlich während seiner Laufbahn als Politiker gelernt, wie man Krisen aussitzt und wie sich offensichtliche Verfehlungen so darstellen lassen, dass doch eigentlich nichts zu monieren ist. Dass sich Wulff nicht schämt, sich nun als Bundespräsident einem zwar harmlosen, aber doch scharfen Verhör aussetzen zu müssen, um die Taktik des Herumredens zu demonstrieren, ist doch ein Tiefpunkt der politischen Kultur, die vom gnädig-taktischen Schweigen von Merkel und Co. noch verschärft wird.

Waren die Bundesbürger anfangs noch eher hinter Wulff gestanden, so hat sich durch sein Lavieren die Stimmung mittlerweile doch verschoben. Nach dem DeutschlandTrend sprachen sich am Montag noch 63 Prozent der Befragten dafür aus, dass Wulff im Amt bleiben soll, waren es am Dienstag noch 53 Prozent und am Mittwoch nur noch 47 Prozent. 50 Prozent sagen, er solle vom Amt zurücktreten. Nur noch 27 Prozent halten ihn für glaubwürdig, 59 Prozent sagen, er sei kein würdiger Präsident. Das ist zwar noch alles besser als der Stand der FDP, die auch keine Konsequenzen ziehen will, aber für einen Bundespräsidenten, der über der Macht- und Parteipolitik stehen und persönliche Integrität haben soll, ist diese Partei absolut kein Vorbild.

Anstatt wenigstens mit einiger persönlicher Würde und Anstand gegenüber dem Amt abzutreten, auch wenn er weiterhin behaupten sollte, letztlich nichts wirklich falsch gemacht zu haben, klammert sich Wulff, sicher auch von Merkel getrieben, an sein Amt, versichert, er sei ein guter Bundespräsident gewesen und werde es auch weiterhin gut machen. Nein, nun ist Wulff nur noch ein Kasper, was er letztlich schon war, als er aus parteitaktischen Gründen von Merkel ins Amt gehievt wurde. Vielleicht könnte er noch etwas an Glaubwürdigkeit retten, wenn er wenigstens durchsetzen würde, dass er zu gegebener Zeit zurücktreten und sich dann einer Wahl stellen würde, also dass die Bürger, nicht die Parteien entscheiden.

Aber irgendein wirklich mutiger Schritt ist von Wulff nicht zu erwarten, der zu egoistisch auf seinen Interessen beharrt und auch keine Probleme damit hat, dass er zu Sonderkonditionen von "Freunden" und Banken Kredite erhält, die der Normalbürger, den er repräsentiert, nie bekommen würde. Dazu kommt, dass man ihm seine Transparenz nicht mehr glaubt. Noch in seinem Interview mit ARD/ZDF hat er sich wieder direkt verhakt. Er sagte, er habe bei Bild lediglich versucht, die Veröffentlichung mit den Anrufen um einen Tag hinauszuschieben. Nach Nikolaus Blome, dem stellvertretenden Chefredakteur der "Bild"-Zeitung, war dies aber nicht ganz so harmlos: "Das war ein Anruf, der ganz klar das Ziel hatte, diese Berichterstattung zu verhindern ... zu unterbinden", sagte er.