Zwei Grad Celsius

Von einem Durchbruch in den Klimaverhandlungen kann nicht die Rede sein

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Eigenlob gehört zum Geschäft der Politiker, aber unerfreulich wird es, wenn Journalisten dieses kritiklos verbreiten. So geschehen am Donnerstag, nach dem sich die G-20-Staaten am Rande des G-8-Gipfels im italienischen L'Aquila über eine Erklärung zum internationalen Klimaschutz verständigten. Die globale Erwärmung solle auf zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau beschränkt werden (0,8 Grad davon sind bereits erreicht, weitere etwa 0,6 Grad aufgrund der bisherigen Emissionen nahezu unvermeidlich), so eines der Ergebnisse. Die Treibhausgasemissionen sollen bis 2050 um die Hälfte reduziert werden, in den Industriestaaten um 80 Prozent.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird von den deutschen Medien mal wieder als die große Klimavorkämpferin dargestellt. Die Schwellenländer hätten jetzt zugesagt, sich am Klimaschutz zu beteiligen. Wie immer kein Wort von den deutschen Kohlekraftwerken, kein Wort von den großen Programmen, mit denen in Indien und China die erneuerbaren Energieträger gefördert werden, kein Wort davon, dass sie die Klimaschutzverträge – im Gegensatz zu den USA alle ratifiziert haben, kein Wort davon, dass die Emissionen pro Kopf der Bevölkerung in China und insbesondere in Indien noch immer weit unter dem deutschen oder US-amerikanischem Niveau liegen

Merkel leistete sich auf der Pressekonferenz eine peinliche Fehlleistung, die offenbar keinem deutschen Journalisten auffiel. Die Agenturen sparen sich ja eh inzwischen meist die Fachjournalisten, und bei den Privatsendern ist offensichtliche an eine entsprechende Recherche offensichtlich gar nicht mehr zu denken. Daher stolperte niemand darüber, dass die Bundeskanzlerin verkündete, die Erwärmung solle bis 2050 auf zwei Grad beschränkt werden. War das nun ein Versprecher, oder gnadenlose Unkenntnis der Zusammenhänge? Das Klimasystem reagiert nämlich nur mit einer Verzögerung von mehreren Jahrzehnten auf die Erhöhung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre. Auch wenn diese stabilisiert ist, wird die globale Temperatur noch um einige Zehntel Grad weiter steigen. Oder anders ausgedrückt: Wenn man die Emissionen danach bemessen würde,die Temperatur bis 2050 um nicht mehr als zwei Grad Celsius steigen zu lassen, dann würde die globale Erwärmung gegen Ende des Jahrhunderts vermutlich fast drei Grad Celsius betragen. Vermutlich kommen derlei Fehler zu Stande, wenn man den Vattenfall-Chef Lars Göran Josefsson als Klimaberater beschäftigt.

Die Zwei-Grad-Celsius-Begrenzung ist übrigens zwar ein gewisser Fortschritt, wenn er denn völkerrechtlich verbindlich fixiert würde, aber alles andere als befriedigend. Auch bei globaler Erwärmung um zwei Grad drohen noch erhebliche Gefahren für den Meeresspiegel und für einige Regionen wie den Mittelmeerraum, der noch heißer und noch trockener werden wird. Welche Folgen das für Wasserversorgung und Frieden insbesondere in der Levante haben wird, kann man sich leicht ausmalen.

Auch das Schicksal der Eismassen in Grönland und in der Westantarktis wäre ziemlich ungewiss. Als die Erde zuletzt um zwei Grad wärmer war, waren die Gletscher deutlich kleiner und in der Westantarktis verschwanden sie in einem etwas wärmeren Klima mehrmals gänzlich.