Nacht über Hollywood

Wes Craven beendet seine "Scream"- Trilogie furios - und rettet dabei den Horrorfilm.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es ist Nacht über den Hügeln Hollywoods. Im Scheinwerferlicht eines Polizeihubschraubers scheinen die weißen Buchstaben des Hollywood- Schildes auf, dann fällt wieder Dunkelheit auf sie. Jemand wird sterben heute nacht, denn das ist der Auftakt zu Scream 3, dem Ende der Horrortrilogie des Genreveterans Wes Craven. Doch trotz neun von Messern durchbohrten, auf Betonboden zerplatzten, in Gasexplosionen verbrannten Leichen ist "Scream 3" kein Horrorfilm.

Der Hollywood- Schriftzug am Anfang verrät, dass "Scream 3" nun auch geographisch dort angekommen ist, wo die Trilogie thematisch schon immer war. "Scream 3" ist ein ironischer, selbstreflektiver, witziger Horrorfilm nicht über den Horror sondern den Film. Die Heldin der ersten beiden Filme, Sidney, die diese als einer der wenigen Charaktere überlebte, hat sich in die Täler des kalifornischen Hinterlandes zurückgezogen. Isoliert und vor allem weit weg versteckt vor den messerstechenden Dämonen ihres Lebens arbeitet sie dort als telefonische Konfliktberaterin. Bis ein Killer die Schauspieler von "Stab 3", einem Film basierend auf ihrem Leben, abzuschlachten beginnt.

Auf einer Leiche lässt der Killer ein Foto Sidneys im ersten Film ermordeter Mutter zurück. Ein Geheimnis ihres Lebens muss Sidney entdecken, um die Identität des Killers und den Hintergrund der ganzen "Scream"- Trilogie zu enthüllen. Der Film vereinigt die Stärken der zwei Vorgänger. Zum einen die Selbstreflexivität. Im ersten Teil rasselten die potentiellen Opfer selbst die Regeln des Genres herunter: Die Strafe für Sex und Drogen ist der Tod, wer sagt "Ich bin gleich zurück", wird es nicht sein. Einer hält sich nicht dran - und endet tatsächlich leblos am Garagentor hängend. Das ist das Prinzip der Trilogie: Der Film erzählt und kommentiert zugleich das Erzählte.

"Scream 3" beschreibt, warum es überhaupt zu einer solch selbstzerstöreschen Trilogie in einem konservativen Genre wie dem Horror kam. Nicht nur, dass er in Hollywood spielt, dass Schauspieler hingemetzelt werden - der Regisseur von "Stab 3" ruft, nachdem die Morde am Set sein Studio unruhig machen auch ständig: "Sie werden meinen Film töten". Der Horrorfilm ist in Gefahr.

In den 80er war die Furcht im Kino, aber auch die im Leben war real. Wes Cravens Klassiker "Nightmare on Elm Street" erzählt von der Angst der Teenager der Reagan-Ära. In ihrem Albträumen sucht Freddy Krüger, ein Kindesmörder mit Rasierklingen an Finderspitzen sie heim. Er hat tatsächlich einst gelebt und gemordet. Die Eltern der Teenager haben ihn gelyncht. Und so haben sie ihre Kinder verraten. Sie sind nun in ihren Träumen Freddys Opfer. Die Schuld der Eltern war eine deutliche Parallele zur nuklearen und ökologischen Bedrohung - Albträumen, die die 80er beherrschten. Aber in den 90ern sind das nachrangige Themen. So verlor der Horrorfilm seinen Nährboden kollektiver Albträume.

"Popkultur ist die Politik der 21. Jahrhunderts", sagt in "Scream 3 einer der Schauspieler von "Stab 3". Und in der Popkultur hat Wes Craven die Rettung aus dem Dilemma des Horrorfilms gesucht. In der Scream-Reihe lotete er die Ausweichstrategien aus. "Scream 1" war noch sehr horrorlastig. Die furiose Eingangssequenz ließ kaum zu Atem kommen. Ein Mädchen ist nachts allein zu Hause. Das Telefon schellt. Der Anrufer spielt eine Trivial Pursuit des Horrorfilm mit ihr. Wie heißt der Mördern in "Halloween", wie der in "Freitag, der 13."?. Das Mädchen verspricht sich. Sie hat verloren und hängt augenblicklich bluttriefend am Baum.

"Scream 2" war fast nur noch ein alberner Komödienklamauk samt trotteligen Dorfpolizisten, überdrehten Fernsehreporterinnen und Tom Cruise imitierenden Teenagern. In "Scream 3" hat Craven nun einen überzeugenden Mittelweg formuliert. Souverän zitiert der Film sich selbst: Im englischen Original ist immer wieder von "Scary movie" die Rede - so sollte "Scream" eigentlich heißen. Aber auch das popkulturelle Inventar der 90er integriert er spielend: Da sieht man kurz die Helden der Kevin Smith Filme, Silent Bob und Jay, durchs Bild laufen und der "Popkultur ist die Politik der 21. Jahrhunderts"- Monolog klingt arg nach der Fernsehserie "Dawson Creek". Aber zugleich fixiert "Scream 3" ernsthaft Hilflosigkeit und Versagen. Auch thematisiert er weniger die sinnlosen Morde, als den Profit, der für Medien daraus zu schlagen ist.

In dieser Schwebe zwischen Ironie, Gags und Grauen gelingt Craven etwas Innovatives. Und obwohl genretypisch die Leiche des Killers doch noch lebendig wird, ist das Ende bewegend. Zum Schluss scheint die Sonne, wärmt die Hügel Hollywoods, die am Anfang so düster schienen. Einige Schauspieler sind gestorben, aber nicht der Horrorfilm.

"Scream 3", USA 1999, 118. Min, R: Wes Craven, B: Ehren Kruger, D: Neve Campbell/ David Arquette/ Courtney Cox Arquette, Start: 22. Juni