Weltraum-Regatta

Mit Solarsegeln zum Mond

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Ein neuer Wettlauf zum Mond steht bevor - diesmal jedoch nicht als Kräftemessen der Supermächte, sondern als sportlicher Wettkampf. Wenn alles klappt, soll um 2004 oder 2005 die erste Regatta im Weltraum stattfinden: ein Wettrennen von Solarseglern auf der Strecke Erde-Mond.

Star of Tolerance

Ausgedacht hat sich das Spektakel Nersi Razavi, Begründer des Star of Tolerance"-Projekts. Seit 1992 kämpft er für die Idee, ein Solarsegel in der Erdumlaufbahn zu entfalten und damit den UN-Resolutionen über Toleranz, Gewaltlosigkeit und Frieden einen symbolischen Ausdruck zu verleihen, der überall auf der Welt mit bloßem Auge zu erkennen ist. Der "Stern der Toleranz" wird etwa die Helligkeit der Venus haben. Zusätzlich wird er Funksignale ausstrahlen, die mit Spielzeugen und anderen Objekten als Sprache oder Schrifttext empfangen werden können. Ein Teil der durch den Verkauf dieser Objekte eingenommenen Gelder soll unter anderem Erziehungs- und Ernährungsprogrammen in aller Welt zugute kommen.

Im Jahr 1997 wurde das Vorhaben von der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA in einem Ideenwettbewerb für Projekte zur Feier des neuen Jahrtausends ausgewählt. Der gegenwärtige Zeitplan sieht vor, den "Star of Tolerance" im Jahr 2001 zu starten. Ein bis zwei Jahre wird das 40 mal 40 Meter große, reflektierende Segel in der Erdumlaufbahn bleiben, ehe es vom Sonnenwind in die Weiten des Weltalls davon getragen wird. Die Erde-Mond-Regatta ist als Folgeprojekt geplant, bei dem die verschiedenen Raumsegler von den teilnehmenden Nationen finanziert werden sollen.

Artist's Impression: ODISSEE Sail Deployment Module, DLR

Die Idee, mit Solarsegeln durchs All zu reisen, wurde bereits vor etwa 400 Jahren von Johannes Kepler formuliert. Aus der Tatsache, dass der Schweif eines Kometen stets von der Sonne weg gerichtet ist, schloss er, dass von der Sonne eine Kraft ausgeht, die für Reisen zum Mond oder Jupiter genutzt werden könnte. Die Vorteile dieser Technik sind offensichtlich: Es ist kein Treibstoff erforderlich, und es können Geschwindigkeiten bis zu 100 Kilometern pro Sekunde erreicht werden. Dafür ist die Beschleunigung extrem gering: Auf ein Segel mit einer Ausdehnung von 100 mal 100 Metern wirkt in Erdnähe ein Schub von etwa 0,1 Newton, der um so schwächer wird, je weiter das Raumschiff sich von der Sonne entfernt (zum Vergleich: das zur Zeit noch in der Erprobung befindliche Vulcain-2-Triebwerk einer Ariane-Rakete entwickelt einen Schub von 1,35 Millionen Newton).

Die technische Herausforderung bei der Nutzung von Solarsegeln liegt darin, dass sie zunächst auf möglichst kleinen Raum komprimiert werden müssen, um sie in eine Erdumlaufbahn zu transportieren. Dort müssen sie dann ferngesteuert auf ihre volle Größe entfaltet werden. Eine solche Entfaltung eines 20 mal 20 Meter großen Segels wurde im vergangenen Dezember beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) durchgeführt. Dieses Segel wurde bei der Internationalen Luft- und Raumfahrt-Ausstellung (ILA) in Berlin erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Inmitten der protzigen Militärtechnologie und vor dem Klanghintergrund fauchender Düsenjäger, die ständig über das Ausstellungsgelände rasen, wirkt diese hauchdünne, im Luftzug flatternde Folie fast wie ein Kunstwerk, ein Mahnmal, das mit seiner Verletzlichkeit gegen die übermächtige Waffentechnik protestiert - nicht die schlechteste Werbung für das "Star of Tolerance"-Projekt.

Artist's Impression (World Space Foundation): Solar Sail in Earth Orbit, NASA JPL

Bei der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA bereitet man unterdessen ebenfalls eine Mission vor, die mit einem Solarsegel betrieben werden soll. Dieses Segel soll eine Ausdehnung von 100 mal 100 Metern haben und eine Sonde über die Grenzen des Sonnensystems hinaus bis in eine Entfernung von 250 Astronomischen Einheiten ( = 250-fache Entfernung Erde-Sonne) transportieren. Der Start ist für das Jahr 2010 geplant, die Flugdauer soll etwa 15 Jahre betragen.

Und auch über ein noch verwegeneres Konzept wird bereits nachgedacht: M2P2 oder "Mini-Magnetospheric Plasma Propulsion". Hierbei wird statt eines Solarsegels aus reflektierender Folie ein großes, blasenförmiges Magnetfeld verwendet, das von den geladenen Teilchen im Sonnenwind voran getrieben wird. Wann diese Technik erstmals zum Einsatz kommen wird, ist allerdings noch ungewiss.