Bundespolizei lädt zum Häuserkampf

Manöver von 26 europäischen Polizeien auf dem militärischen Truppenübungsplatz im brandenburgischen Lehnin

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"Von Vicenza nach Lehnin" frohlockt die Bundespolizei in der jüngsten Ausgabe ihrer gleichnamigen Zeitschrift. Vicenza war letztes Jahr Austragungsort des "European Union Police Forces Training" (EUPFT). In der Stadt im Norden Italiens befindet sich das Hauptquartier der paramilitärischen European Gendarmerie Force (EUROGENDFOR) und gleichzeitig ein NATO-Flughafen der USA.

Das dieses Jahr zum dritten Mal stattfindende EUPFT-Manöver beginnt im Juni auf dem Truppenübungsplatz ("TrÜbPl") im brandenburgischen Lehnin. Die Bundespolizei spricht von "großen Ereignissen" nebst ihrer Schatten und kündigt an, dass die Vorbereitungen auf Hochtouren liefen. Kein Wunder, da das Training vorgezogen wurde und bereits am 7. Juni beginnt. Nach der ersten zehntägigen Einheit folgt eine weitere Staffel vom 12. bis 23. Juli. Ziel sei es, "Fertigkeiten und Fachwissen auszutauschen" und "das gemeinsame, aufeinander abgestimmte Handeln zu verbessern".

Der zukünftige gemeinsame Einsatz wird auf dem "TrÜbPl" im fiktiven Dorf "Rauhberg" simuliert. Dabei sollen auch Luftfahrzeuge zum Einsatz kommen, womit neben Helikoptern vermutlich entweder Drohnen der Polizei oder des Militärs gemeint sind. Die Bundespolizei ist bemüht, die Öffentlichkeit über das martialische Aufstandsbekämpfungsszenario zu besänftigen und verspricht ulkig eine "besondere Berücksichtigung der Menschenrechte (insbesondere im Zusammenhang mit Frauen)".

Letztes Jahr hatten rund um Vicenza 639 Polizisten von September bis November trainiert ( Peacekeeping mit Gummiknüppel und Tränengas ). "Missionslagen" der Manöver 2008 und 2009 waren unter anderem "Evakuierung von EU-Bürgern", "Bekämpfung von Menschenhandel", "Schutz einer Sportveranstaltung" oder "EU-Staatsbesuch". Die Übungseinheiten deuten darauf hin, dass ein Einsatz der EUROGENDFOR bzw. unter EU-Mandat zusammengefassten Polizeitruppen auch innerhalb der Europäischen Union stattfinden könnte.

Die 2003 initiierte EUROGENDFOR soll bald 3.000 Polizisten für den Einsatz in "Drittstaaten" bereitstellen, die unter militärischem Kommando Polizeiaufgaben übernehmen ( Europäische Gendarmerietruppe wird zur kasernierten Einheit). Zu den Tätigkeiten der Truppe gehört etwa die "Stabilisierung" nach militärischen Kampfeinsätzen, darunter Aufstandsbekämpfung, Schutz von Eigentum und geheimdienstliche Tätigkeiten. Weil an der EUROGENDFOR nur Polizeien teilnehmen können, die dem Militär unterstellt sind, bleibt unter anderem Deutschland bisher außen vor. Bisherige Träger sind Portugal, Holland, Spanien, Italien, Frankreich, Polen und Rumänien; Litauen und die Türkei besitzen Beobachterstatus.

In Vicenza betreibt die EUROGENDFOR unter Leitung der italienischen Carabinieri mit dem "Center of Excellence for Stability Police Units" (CoESPU) eine Polizeiakademie, wo unter anderem Führungskräfte von Armeen afrikanischer Länder in Aufstandsbekämpfung unterrichtet werden. Weil die EUROGENDFOR außerhalb des EU-Rechtsrahmens als multilaterale Übereinkunft installiert wurde gibt es keinerlei Kontrolle durch das EU-Parlament. Die Manöver der EUPFT sind demgegenüber eingebettet in die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik und durch Ratsbeschlüsse gedeckt .

Die "Stiftung Wissenschaft und Politik" forderte jüngst, auch deutsche Auslandshundertschaften unter militärisches Kommando stellen, um ebenfalls in der EUROGENDFOR mitspielen zu können. Aber auch ohne Mitgliedschaft in der privilegierten paramilitärischen Truppe dokumentieren die die seit 2008 stattfindenden "European Union Police Forces Trainings" den Trend zu gemeinsamen polizeilichen Auslandseinsätzen, die von der EUROGENDFOR kommandiert werden können.

Für das diesjährige EUPFT wurde wegen der "enormen personellen und logistischen Ressourcen" seitens der Bundespolizei eine "Besondere Aufbauorganisation" eingerichtet, die für die Einsatzabschnitte "Übungsanlagen, Administration, Logistik, Luft, Polizeiärztlicher Dienst und Öffentlichkeitsarbeit" verantwortlich ist. Letztere wird womöglich wieder einen Besuchstag für Führungskräfte von Polizei und Militär organisieren, um sich am simulierten Einsatz gegen Störungen der öffentlichen Ordnung zu erfreuen und die weitere zivil-militärische Zusammenarbeit im Ausland zu verabreden.

Das rund 25 Kilometer südwestlich von Potsdam gelegene Lehnin ist in Militärkreisen bekannt für Übungen im urbanen Gelände und bietet laut Bundeswehr einen "realistischen Eindruck vom Ortskampf" mit rund 70 Häusern, Kanalnetz, Unterführungen, Bahnhof, Reisebüro, Schule und Flugplatz. Gefechtslärm kommt aus Lautsprechern, während elektrisch gesteuerte Ziele beschossen werden können. Ausgebrannte Panzer ( "Hartziele") verschaffen der Kulisse das Flair eines echten Kriegsschauplatzes. In militärischen Planungen kommt "Military Operations on Urban Terrain" (MOUT) und "Urban Warfare" ein immer größeres Gewicht zu, weshalb auch die deutsche "Stiftung Wissenschaft und Politik" verstärkte Manöver in Lehnin befürwortet.

Stolz berichtet der "Platzkommandant" des Truppenübungsplatzes, dass regelmäßig "Soldaten verschiedener Länder" den Häuserkampf in Brandenburg trainieren. Die europaweit einmalige Anlage sei auch bei Rettungskräften vom Deutschen Roten Kreuz und Technischem Hilfswerk sowie polizeilichen "Spezialkräften" beliebt.