WikiLeaks hat 5 Millionen STRATFOR-Dokumente

Private lives and private's lies of private spies

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WikiLeaks-Gründer Julian Assange meldet sich mit einem spektakulären Coup zurück. Wie bereits im Dezember bekannt wurde, waren Hacker in die private Sicherheitsfirma STRATFOR eingedrungen und haben ihr Material offenbar an Julian Assange geleaked. Der wiederum trommelte etliche Medienpartner zusammen, darunter in Deutschland offenbar auch der NDR.

STRATFOR ist ein privater, US-amerikanischer Informationsdienst für politische Entscheidungsträger, der u. a. konspirative Methoden einsetzt. Wie Assange nun aufdeckte, werden die Mitarbeiter bzw. Zuträger über eine Art Geldwäschesystem diskret u.a. über Konten auf den Bahamas, in der Schweiz oder mit Prepaid Kreditkarten bezahlt und agieren als freischaffend. STRATFOR war 1996 im Dunstkreis der Neocons von George Friedman als Beratungsfirma gegründet worden. Insbesondere während der Ära Bush waren etliche Aufgaben im Militär- und sonstigen Sicherheitssektor privatisiert worden, wovon Firmen wie Halliburton und Blackwater profitierten. Im Bereich der Geheimdienste wurden diverse Beratungsaufgaben ebenfalls outgesourced, etliche Leute der CIA wechselten die finanziell attraktivere private Sicherheitsindustrie. STRATFOR peilt die Position als Geheimdienst Nr.1 an, spielt seine Aktivitäten jedoch in der Öffentlichkeit herunter. Man habe keine Klienten, sondern Leser.

WikiLeaks ist offenbar nun im Besitz von 5 Millionen digitalen Dokumenten, die Aufschluss über Arbeitsweise, Aufträge und Kunden geben. Darunter befinden sich öffentliche Abnehmer wie die US Airforce und die US Marines, jedoch auch die private Industrie. Es überrascht nicht, dass sich allen voran die Ölindustrie für politische Informationen aus dem Ausland interessiert. Assange nannte auch den Rüstungskonzerne, die Bank of America und Unternehmen der chemische Industrie. Kurios wirkte der Coca Cola-Konzern, der während der Olympiade offenbar PETA-Aktivisten bespitzeln ließ.

Allein etwa 4.000 der abgefischten E-Mails sollen sich mit WikiLeaks befassen. Zu den Methoden von STRATFOR gehöre Bestechung, Gewinnen von Insidern und Unterwanderung. Sogar in den staatlichen US-Organisationen wie etwa dem State-Department hat man Zuträger.

In der Pressekonferenz im Londoner Frontline-Club waren auch die The Yes Men vertreten, denen STRATFOR ebenfalls hinterher gestiegen sein soll. Die Yes Men hatten eine Website des US-Chemie-Riesen DOW CHEMICAL inszeniert, der UNION CARBIDE geschluckt hatte. In einem inszenierten Interview versprach ein als Manager posierender Yes Man eine Entschädigung für die Opfer der Chemiekatastrophe in Bhopal. Die heutige WikiLeaks-Pressekonferenz wurde live im indischen TV gesendet, wo die Zurückhaltung der US-Konzerne, die nicht effiziente Justiz diesbezüglich und der fehlende politische Wille zur Verantwortung noch gut in Erinnerung ist. Offenbar diskutierte man bei STRATFOR, wie man die The Yes Men diskreditieren könne.

Assange beleuchtete auch die Rolle der Nachrichtenagentur Reuters. Obwohl auf dem berühmten Collateral Murder-Video zu sehen ist, wie zwei Reporter von Reuters erschossen wurden, hätte der Editor es nicht für nötig befunden, die Sache zu kommentieren.