Muss sich Karsai noch einmal wählen lassen?

Laut Untersuchungsbericht der UN-Beschwerdekommission zu Betrügereien bei der Präsidentschaftswahl im August hat der afghanische Präsident angeblich die 50 Prozent Marke verfehlt. Wird das Ergebnis akzeptiert, kommt es zu einer Stichwahl

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Heute will die von der UNO eingesetzte Beschwerdekommission ihre Ergebnisse über Betrügereien (siehe Hütchenspiele unter der Lammfellmütze) bei der afghanischen Präsidentschaftswahl vorlegen. Aus Kreisen, die mit der Arbeit der Kommission vertraut sind, wird schon vorab verlautbart, dass eine Korrektur der bisherigen, noch nicht offiziellen, Wahlergebnisse wahrscheinlich ist und noch mehr: Die neu ermittelten Zählergebnisse würden für den amtierenden Präsidenten Karsai nur mehr 47 Prozent errechnen, was einen zweiten Wahlgang nötig machen würde - eine Stichwahl zwischen ihm und seinen Herausforderer Abdullah Abdullah. Die Unsicherheiten über die Bewertung der Betrugsmanöver sind allerdings nicht ausgeräumt, die Untersuchungsergebnisse der UN-Beschwerdekommission und ihre Auswirkungen auf das Wahlergebnis müssen von der offiziellen afghanischen Wahlkommission - Independent Election Commission - akzeptiert werden.

Die Quellen, auf die sich der Bericht der Washington Post : "Runoff Expected In Afghan Election" beruft, sind die genannten ungenannten Mitglieder informierter Kreise und Aussagen des afghanischen Botschafters in den USA, Said Tayeb Jawad, der bei einer Rede vor dem Thinktank US Institute of Peace erklärte, dass eine zweite Runde "wahrscheinlich" sei.

Abgesehen davon, inwieweit sich Präsident Karsai, der zur UN-Kommission nicht gerade ein warmherziges Verhältnis hat, auf deren Untersuchungsergebnisse einlassen wird, wird die Durchführung der Stichwahl von Experten als schwierig bezeichnet. Zwar stellt eine zweite Runde in Aussicht, dass die Präsidentschaftswahlen vom Makel der Manipulation befreit werden könnten und damit der Politik in Afghanistan zu einer besseren Legitimitätsbasis verhelfen könnte, doch stehen dem Befürchtungen gegenüber, dass auch in der Stichwahl manipuliert werden wird. Zum anderen sei die Durchführung auch wegen des kommenden Winters schwierig. Hinzu kommt, dass sich die Sicherheitslage im Süden Afghanistans und in anderen Teilen zwischenzeitlich noch verschlechtert hat. Im Süden gingen bei der ersten Runde nur sehr wenige Afghanen zur Wahl, dort war die Betrugsquote außerordentlich hoch.

Die USA und die Nato haben sich laut Zeitungsbericht schon im September darauf geeinigt, dass eine mögliche Stichwahl Anfang November stattfinden sollte. Wahlzettel mit den Namen der beiden Kandidaten Karsai und Abdullah seien bereits in London gedruckt worden und in Kabul eingetroffen, nicht abwaschbare Tinte sei vorhanden und die nötige Ausrüstung für die Wahllokale soll diese Woche für die Verteilung bereit liegen.

Wenig begeistert von der Aussicht auf eine weitere Wahl zeigte sich der afghanische Außenminister:

"Wie könnte eine zweite Runde für Afghanistan erwünscht sein? Die internationalen Verbündeten verlieren Sicherheitskräfte, weil sie dadurch gebunden werden, und wir verlieren auch unsere Sicherheitskräfte dafür und das kostet uns eine Menge Geld. Die Sicherheitslage wird dadurch schlechter."