Illegale Razzia im Freien Radio Hamburg

Das "Freie Sender Kombinat" (FSK) klagte erfolgreich gegen die Durchsuchung der Redaktionsräume 2003

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Man schrieb das Jahr 2003, als die Hamburger Polizei gleich mit zwei Hundertschaften ins Schanzenviertel ausrückte, um das linke freie Radio zu durchsuchen und Materialien zu beschlagnahmen. Das sei "unverhältnismäßig" gewesen, verstieß "gegen das Grundrecht auf Rundfunkfreiheit" und diente dazu, die FSK-Journalisten "einzuschüchtern".

So jedenfalls sieht es das Verfassungsgericht in Karlsruhe in dem am Mittwoch veröffentlichten Grundsatzbeschluss (AZ: 1 BvR 1739/04 u. 1 BvR 2020/04). Vor dem höchsten Gericht hatte das "Freie Sender Kombinat" (FSK) gegen die Razzia geklagt, nachdem die Beschwerden des Senders über die Anordnung der Durchsuchung und das Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft bei Hamburger Gerichte erfolglos geblieben waren.

Die 1. Kammer des ersten Senates des Bundesverfassungsgerichtes hat nun jedoch festgestellt, dass der gesamte Einsatz sowie die spätere Rechtfertigung durch das Hamburger Amts- und Landesgericht die Rundfunkfreiheit verletzten. Das Grundrecht auf Rundfunkfreiheit, so das Gericht, umfasse die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit. Staatlichen Stellen sei es grundsätzlich verwehrt, sich Einblick in die redaktionellen Abläufe zu verschaffen, interpretierte das freie Radio in einer Pressemitteilung das Urteil.

Als Anlass für die Durchsuchung war benutzt worden, dass der Sender unerlaubt die Mitschnitte von zwei Telefongesprächen mit einem Polizeisprecher ausgestrahlt hatte. Es ging dabei um über Polizeiübergriffe bei einer Demonstration, der Polizeisprecher sei nicht zuvor um eine Senderlaubnis gebeten worden. Damit habe der verantwortliche Redakteur gegen die Vertraulichkeit des Wortes verstoßen.

Allerdings ließe sich damit die Razzia nicht rechtfertigen, meinte Karlsruhe nun. Das zugrunde liegende Vergehen sei nicht so schwer wiegend gewesen, dass sie "erhebliche Eingriffe in die Rundfunkfreiheit rechtfertigen kann". Sowohl in der Entscheidung der Durchsuchung als auch in ihrer Prüfung durch die Hamburger Gerichte sei keine tragfähige Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes zu erkennen gewesen. Offensichtlich sei es nicht darum gegangen, die Tonträger zu finden, schließlich wurden zahlreiche Unterlagen beschlagnahmt, die Räumlichkeiten abgelichtet und Grundrissskizzen angefertigt worden.

Deshalb, so stellen die höchsten Richter fest, stünden diese Vorgänge in keinem Zusammenhang mit den Ermittlungen, die als Rechtfertigung der Durchsuchung genannt wurde. Man hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, Fundorte von vermeintlichen Beweisstücken auf den Skizzen einzutragen. Nach Ansicht des Senders "unterstreicht das Gericht den Eindruck, den Mitarbeiter des Freien Sender Kombinats schon direkt nach der Durchsuchung äußerten: Ihr Zweck war allein die Ausforschung des Projektes."

Karlsruhe zeigt sich auch besorgt über die Auswirkungen auf den laufenden Sendebetrieb. Nach Angaben des Senders, wurden die Journalisten daran gehindert, direkt im Programm über die Vorgänge zu berichten. "In voller Kampfmontur" hätten die Ordnungshüter Stellung in den Studios bezogen und gedroht, "den Saft abzudrehen", wenn ein Wort über die Polizeiaktion über den Äther ginge. Das Gericht weist zudem auf die langfristigen Folgen der Razzia hin, die zu einer "Störung des Vertrauensverhältnisses" zu Informanten führe.

Die Verfassungsrichter finden auch deutliche Worte über die "erhebliche einschüchternde Wirkung auf das betroffene Presseorgan", die von einer solchen "uneingeschränkten Durchsuchung" ausgehe. Die könne dazu geeignet sein, "die Bereitschaft der Redaktion oder einzelner an der Tat nicht beteiligter Redaktionsmitglieder erheblich zu beeinträchtigen, in Zukunft auch staatliche Angelegenheiten zum Gegenstand kritischer Recherchen und Berichterstattung zu machen."

Man darf das Urteil als einen schweren Schlag ins Gesicht der Hamburger Polizei und Staatsanwaltschaft werten, schließlich sei die Reichweite und Bedeutung der Pressefreiheit grundlegend verkannt worden. Harsche Kritik wird auch an den Gerichten im Stadtstaat laut, die ihrer Kontrollfunktion nicht gerecht wurden. Bei der Bewilligung der Durchsuchung und in der Folge, als die Beschwerden des Senders abgewiesen wurde, seinen nahe liegende verfassungsrechtliche Vorgaben nicht beachtet worden.