Bremst Europa Ölbohrungen vor den Kanarischen Inseln aus?

Die EU-Kommission hat eine Beschwerde angenommen, wovon auch die deutsche RWE Dea betroffen sein könnte

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Auf den Kanarischen Inseln wird die Hoffnung stärker, die Ölbohrungen vor der Küste der Ferieninseln Lanzarote und Fuerteventura stoppen zu können. Befördert werden die Hoffnungen durch die EU-Kommission in Brüssel. Sie hat die Beschwerde der Regionalregierungen von Lanzarote und Fuerteventura erhört und der Einleitung eines Verfahrens gegen Spanien zugestimmt. Nun haben die beiden Regionalregierungen die Bürger und Vereinigungen aufgefordert, eigens Beschwerden bei der EU-Kommission und dem Europaparlament einzureichen.

Auf den Webseiten der beiden Inselregierungen wurden dafür Vorlagen sogar in Englisch zur Verfügung gestellt, um sie ans Europaparlament und an die Kommission zu schicken. Die Regierung von Lanzarote bedankt sich ausdrücklich für die Unterstützung der Nachbarschaftsvereinigungen, Umweltorganisationen und Wissenschaftlern. "Sie haben es möglich gemacht, der Beschwerde die notwendige technische und juristische Grundlage zu geben, damit sie von der EU-Kommission angenommen wurde." Die Bürger sollen ihr nun mit eigenen Einwendungen vor den EU-Institutionen den nötigen Nachdruck verleihen.

Gestützt wird die Beschwerde, die sich gegen ein Dekret der spanischen Regierung richtet, von wissenschaftlichen Studien. Das Dekret wurde am 21. März im Gesetzesblatt veröffentlicht und genehmigt die Ölsuche vor der Küste der beiden Inseln. Angegriffen wird vor allem die Tatsache, dass die Bohrungen ausgerechnet in Gebieten stattfinden sollen, die zu den wichtigsten in Spanien in Bezug auf die marine Biodiversität gelten. Wegen der großen biologischen Vielfalt hat die "Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur" (Unesco) beide Inseln zu Biosphärenreservaten erklärt. Gewarnt wird davor, dass schon die geplanten Bohrungen sehr negative Auswirkungen auf das Leben im Meer haben würden.

Spanien wird dafür angegriffen, gegen die EU-Richtlinie 2011/92 verstoßen zu haben. Die für solche Projekte notwendige Umweltverträglichkeitsprüfung mit Bürgerbeteiligung sei nicht durchgeführt worden. Tatsächlich ist die Eile auffällig, mit der das Projekt per Dekret von der neuen Regierung unter der rechten Volkspartei (PP) durchgezogen werden soll. Dabei war die PP-Regierung wegen einer fehlenden Umweltverträglichkeitsprüfung mit dem Vorhaben schon einmal gegen die Wand gelaufen. 2004 zog der Oberste Gerichtshof in Madrid die Genehmigung zu Probebohrungen zurück. Nachdem die PP 2004 abgewählt wurde, wurde das Projekt von den Sozialisten auf Eis gelegt.

Mario Cabrera, Chef der Regionalregierung von Fuerteventura, unterstreicht, dass die Beschwerde "ein weiteres Werkzeug ist, um den demokratischen Willen auf beiden Inseln durchzusetzen". Cabrera bezieht er sich nicht nur darauf, dass die Mehrheit im Regionalparlament der Kanarischen Inseln das Vorhaben ablehnt, sondern auch, dass sich vor einem Monat zehntausende Bürger auf den wohl bisher größten Demonstrationen für eine "Zukunft ohne die Ölindustrie" ausgesprochen haben. Auf den Inseln pocht man darauf, über die eigene Zukunft frei entscheiden zu können, und fühlt sich wie eine Kolonie behandelt. Man fürchtet um den Tourismus, der die ökonomische Grundlage der Inseln bildet. Anders als von der Regierung behauptet, werde nicht nur 60 Kilometer vor der Küste gebohrt, denn das Dekret erlaubt auch Bohrungen in einem Abstand von zehn Kilometern.

Der Präsident der Regierung von Lanzarote beschwert sich auch darüber, dass man auch vier Wochen nach den Einwänden gegen das Dekret noch immer keine Antwort aus Madrid erhalten habe. Pedro San Ginés sagte, man erhalte mehr Aufmerksamkeit von europäischen Institutionen als von der spanischen Regierung. "Die hört weiter weg, kehrt der Bevölkerung den Rücken zu und sorgt sich lediglich um die Ziele multinationale Ölfirmen." Konkret soll ein Konsortium unter der Führung der spanischen Repsol die Region erforschen.

Repsol hat gerade seine argentinische Tochter YPF verloren, weil Argentinien dem Multi den großen Teil der Aktien durch Verstaatlichung abnimmt, nachdem sich das Land geweigert hatte, in die Ausbeutung riesiger neuer Ölfelder zu investieren. YPF war ein zentraler Pfeiler von Repsol, denn knapp die Hälfte der Ölreserven des Gesamtkonzerns gehören YPF. Allerdings wären neben Repsol auch zwei Juniorpartner betroffen, wenn die Probebohrungen vor den Kanarischen Inseln erneut verboten werden. Denn am Konsortium beteiligt sind auch die australische Firma "Woodside Energy" (30%) und die deutsche "RWE Dea" (20%).