Erfolgreicher Protest

In China hat eine Massendemonstration von Anwohnern die Schließung einer Chemiefabrik erreicht

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Davon können Umweltschützer hierzulande nur träumen: Nach Massenprotesten haben die lokalen Behörden der nordostchinesischen Stadt Dalian am Sonntag die Schließung und Verlagerung einer Chemiefabrik beschlossen, wie die Webseite der KP-Zeitung Global Times berichtet. Der Kommentar versucht allerdings, die Bedeutung herunterzuspielen, und fordert offizielle Institutionen, in denen entsprechende Anliegen gemeinsam mit Gegenpositionen verhandelt werden können. Den Protest auf die Straße zu tragen, sei für Chinesen keine Option. Die Mehrheit sei dagegen, und derlei solle nicht gefördert werden.

Ob die Mehrheit der Chinesen tatsächlich gegen derartige Proteste ist, darf bezweifelt werden. Allerdings ist sicherlich wahr, dass sich insbesondere die ältere Generation angesichts ihrer Erfahrungen mit der Kulturrevolution und den schweren Hungersnöten Anfang der 1960er Jahre nach gesellschaftlicher Stabilität sehnt. Das hat aber pensionierte Arbeiter in der Zeit der großen Umstrukturierung und Teilprivatisierung der staatlichen Industrie Ende der 1990er nicht davon abgehalten, oft militant für ihre Rentenansprüche und gegen Betriebsschließungen zu kämpfen (nn China waren bis dahin die staatlichen Betriebe für die Renten ihrer ehemaligen Arbeiter zuständig).

Und in Dalian waren es auch nicht nur "einige Bürger", wie der Kommentator der Global Times schreibt, sondern Tausende, die auf die Straße gingen. So heißt es zumindest in einer Meldung, die Bloomberg von Xinhua übernommen hat. Demnach sei in der letzten Woche in Folge eines Taifuns ein Deich gebrochen, der die Fabrik vor Sturmfluten habe schützen sollen. Daraufhin seien die Anwohner auf die Straße gegangen, um die Schließung zu verlangen.

Auf der von einer trotzkistischen Organisation betriebenen Webseite %20chinaworker-en%20%28China%20Worker%20-%20English%20articles%29: China Worker sind einige Bilder der Demonstrationen zu sehen. Interessant unter anderem, wie defensiv sich die Polizei trotz voller Straßenkampfmontur verhalten zu haben scheint (aber natürlich geben die Bilder nur Momentaufnahmen wieder). Dort ist von 12.000 Teilnehmern der Demonstration am gestrigen Sonntag die Rede. Der Guardian schreibt gar von "Zehntausenden".

Die Aufrufe seien über Internetblogs und ähnliches verbreitet worden. Chinesische Behörden verfolgen übrigens derzeit mit großem Interesse die Diskussion in Großbritannien, ob gegebenenfalls die elektronische Kommunikation für bestimmte Gruppen oder Gebiete unterbrochen werden kann. In San Francisco ist man schon einen Schritt weiter. Aber auch in China scheinen alle Berichte über die Proteste in Dalian in den sozialen Netzwerken von den staatlichen Zensoren gelöscht worden zu sein.