GVU fordert Haftung von Host-Providern

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Die als "Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V. (GVU)" firmierende Lobby- und Frontorganisation der Filmindustrie fordert im Windschatten der Empörung über Megaupload eine Überprüfung des Haftungsprivilegs für Host-Provider. Statt den Raubkopierschwerverbrechern selbst hinterherzusteigen, was offensichtlich sogar am anderen Ende der Erdkugel möglich ist, möchte sie selbst seriösen Providern Prüfpflichten aufbürden.

Gegenwärtig befindet sich in Gesetzgebung und Rechtsprechung das Modell "Notice and Takedown" im Vordringen, also die Haftung eines Providers von problematischen Inhalten erst ab Kenntnisnahme. Die Provider sollen nach dem Willen der GVU also gezwungen wären, ihre Kunden lückenlos zu beobachten und unter Generalverdacht zu stellen.

Weiterhin fordert die GVU eine Umkehrung des Regel-/Ausnahmeverhältnisses bei der Beweislast für solche File- und Streamhoster, die das Hochladen von viel nachgefragten Dateien finanziell belohnen. Auch dies bedeutet eine Abkehr vom Prinzip, dass derjenige, der eine unerlaubte Handlung eines anderen behauptet und Ansprüche hieraus herleiten will, den entsprechenden Sachverhalt grundsätzlich zu beweisen hat. Ähnliches ist bereits im Bereich der GEMA-Vermutung bizzare Realität, derzufolge ein Musikverwerter darzulegen und zu beweisen hat, dass er keine GEMA-pflichtige Musik verwertet hat. So durchforsten etwa GEMA-Leute Veranstaltungskalender von Spielstätten und versenden Schnüffelbriefe, wenn sie Musikeinsatz argwöhnen, vermessen ohne Abwarten von Erkenntnissen über die Verwendung GEMA-pflichtiger Musik wie bei einem Tatort die Räume von Tanzschulen und Diskotheken, um das Ausmaß der angeblichen GEMA-Ansprüche zu berechnen.

Die aktuelle Initiative der GVU entfaltet einen ähnlichen Charme wie die nutzlose wie unterirdische PR-Kampagne "Raubkopierer sind Verbrecher", die noch vor einigen Jahren sämtliche redlichen Nutzer vor dem Filmgenuss gängelte und einschüchterte, während Nutzern illegaler Kopien diese aufdringliche Belästigung durch fachgerechte Entfernung erspart wurde. Künftig also sollen Provider ihre Zeit und Kapazität auf präventive Beschnüffelung ihrer Kunden verwenden, was die Angebote eher nicht verbilligen wird. Die gewünschte Betätigung der Provider als kostenlose Hilfssheriffs begründet die GVU mit der Abwehr von "parasitären Geschäftsmodellen".

Die Diskussion, inwieweit der Filmwirtschaft tatsächlich Schaden durch die Downloads entsteht, tritt in den Hintergrund. Die Anzahl der Kinogänger blieb stabil und schwankte eher wegen des qualitativ unterschiedlichen Angebots an attraktiven Filmen. Die These, das Geschäft mit DVDs und Blue Ray leide durch die Online-Nutzung, ist umstritten. Im Gegenteil etwa profitierten die Monthy Pythons von einem Boom ihres Bekanntheitsgrades bei der jungen Käufergeneration durch das Internet, was den Absatz ihrer Datenträger kräftig ankurbelte. Auch sonstige Nutzer von halb- und illegalen Filmportalen gehen überdurchschnittlich oft ins Kino. Die von illegalen Angeboten wie kino.to bewiesene Nachfrage nach z.B. alten TV-Serien vermochte die Filmindustrie bislang nicht zur Entwicklung interessanter eigener Angebote in der Verwertungskaskade zu stimulieren.

Während sich die GVU zum Wächter der Urheber ausruft, geht es tatsächlich jedoch um Verwerterrechte, denn bei diesen unkreativen Zeitgenossen, die sich kaum als "parasitär" bezeichnen lassen möchten, bleibt der ganz überwiegende Teil der Einnahmen aus dem Filmgeschäft haften. Profitieren würde von einer von der GVU geforderten Zensurpflicht der Provider vor allem die Pornoindustrie, die jedoch nur marginale Investitionen in ihr Produkt steckt und sich bei einem für sie kostenlosen Blow Job der Provider zurücklehnen könnte.

Aber auch die Anbieter von Qualitätsfilmen müssen sich fragen lassen, ob die exorbitanten Kosten für Blockbuster, die gegenwärtig mit 200 Millionen Euro pro Streifen zu Buche schlagen, noch verhältnismäßig sind, denn immerhin ist es die Industrie, welche die Nachfrage der Nutzer nach derartig überteuerten Produktionen generiert, steuert und anheizt. Die Urheber solcher Filme werden unabhängig vom Erfolg bezahlt, Spielfilme amortisieren sich meistens bereits mit der Kinoauswertung. Das hat jedoch die Verwerter nie zu Mäßigung stimuliert, die auf eine beachtliche Bilanz an Lobby-Erfolgen zurückblicken dürfen. Stattdessen zogen sie in den Krieg gegen die digitale Kopie, der so hilfreich ist wie die Ablehnung von Regen.