Hilfsgerüchte entlasten Italien und Spanien

Die EZB kündigt an, "alles Notwendige zu tun, um den Euro zu retten"

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Die Gerüchteküche über neue Hilfsmaßnahmen brodelt. Vor allem haben die Äußerungen von Mario Draghi dafür gesorgt, dass die Zinsen für spanische und italienische Staatsanleihen am Donnerstag wieder deutlicher gesunken sind. Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte erklärt: "Innerhalb unseres Mandats ist die EZB bereit, alles Notwendig zu tun, um den Euro zu erhalten."

In Spanien hofft die Regierung, dass ihre Rufe erhört wurden und die Frankfurter Zentralbank wieder massiv Staatsanleihen von Spanien kauft. Draghi deutete an, dass es sich um eine umfassende Intervention handeln werde. "Glauben Sie mir - es wird ausreichen." Die Stützung von Schuldenstaaten gehört aber nicht zur Aufgabe der EZB, die für Geldwertstabilität sorgen soll. Deshalb bot Draghi zur Begründung an, wenn hohe Risikoaufschläge auf Staatsanleihen für Problemländer die "Funktion der geldpolitischen Transmissionskanäle stören, fällt das in unser Mandat".

Schon die Hoffnung, dass die EZB die im März gestoppten umstrittenen Anleihekäufe wieder aufnehmen könnte, ließ die Zinsaufschläge für Spanien und Italien fallen. Der Aufschlag zu zehnjährigen Bundesanleihen war am frühen Mittwoch zunächst auf den neuen Rekordwert von 650 Basispunkten gestiegen. Weil massiv Anleihen abgestoßen wurden und nur auf wenige risikofreudige Käufer stießen, stieg die Rendite auf fast 7,8%. Die Wirtschaftszeitung El Economista titelte: "Die Rettung Spaniens ist unabwendbar." Die große Tageszeitung El País verwies darauf, dass nun von einem umfassenden Rettungsantrag bis zur Rückkehr zur Pesete alle Varianten der Krisenzuspitzung debattiert würden.

Doch noch eine weitere Variante, über Anleihekäufe die Zinsen für Spanien zu drücken, ist im Gespräch. Die Süddeutsche Zeitung berichtete am Donnerstag, in Brüssel werde darüber nachgedacht, den temporären Rettungsschirm (EFSF) spanische Anleihen kaufen zu lassen. Aus dem Fonds sollen schon die bis zu 100 Milliarden Euro für die spanische Bankenrettung kommen. Möglich ist, dass auch Draghi sich darauf bezieht. Denn es käme der EZB zu, die für den EFSF Staatsanleihen kauft. Die Voraussetzungen dafür seien bald erfüllt, denn der EFSF darf nur Anleihen kaufen, wenn im betroffenen Land kein Bankenproblem vorliegt. Die Zeitung zitierte einen EU-Diplomaten mit den Worten: "Wir hoffen, dass wir die Märkte nun beruhigen können."

Auch der Diplomat räumte aber ein, dass das Bankenproblem noch nicht gelöst sei, "aber wir sind dabei, dies zu tun". Doch weiterhin ist unbekannt, welche Summen spanische Banken brauchen. Mehr Klarheit wird es erst im September geben, wenn Wirtschaftsprüfer einen tieferen Einblick in geschönte Bank-Bilanzen geworfen haben. Spanien müsste die Aufkäufe auch erst beantragen. Da das ist mit neuen Auflagen und Kontrollen verbunden wäre, stößt diese Variante auf mehr Wohlwollen in Berlin. Madrid versucht dagegen, weitere Kontrollen und Auflagen zu verhindern.

Einfach und schnell wird diese Variante nicht umzusetzen sein. Das gilt ganz besonders für einen dritten Vorstoß. Das EZB-Führungsmitglied Ewald Nowotny hatte am Mittwoch angeregt, den dauerhaften Rettungsschirm (ESM) mit einer Banklizenz auszustatten, um die Rettungssumme vergrößern zu können. Der österreichische Notenbankgouverneur weiß, dass dies bisher abgelehnt wurde, weshalb er von keiner Entscheidung sondern einer "fortlaufenden Diskussion" sprach.

Ob Spanien um den großen Rettungsantrag herumkommt, wird immer stärker bezweifelt. Experten fragen sich auch, ob die Worte des EZB-Chefs überhaupt Spanien galten oder vielmehr auf seine Heimat gemünzt waren. Während Spanien noch über die Rettungsfonds aufgefangen werden kann, ist das mit zwei Billionen Euro verschuldete Italien das wirkliche Problem für den Euro. In Italien sind offenbar etliche Städte schon nicht mehr in der Lage, die Löhne noch zu bezahlen, weil Steuereinnahmen nicht wie geplant fließen. Die Zeitung La Repubblica spricht von 40 Städten, darunter auch Großstädte wie Neapel und Rom. Bis zu 1,2 Milliarden Euro fehlten schon im August. Auch die Regionen hatten schon davor gewarnt, dass angesichts der Sparmaßnahmen sogar der Beginn des Schuljahres im September und das Gesundheitssystem in Gefahr seien.

Angesichts der neuen Debatte um den Austritt Griechenlands aus der Eurozone, häufen sich ohnehin die Berichte, dass Deutschland hinter den Kulissen Spanien dazu drängt, ganz unter den Rettungsschirm zu gehen. Der belgische Außenminister Didier Reynders spricht offen davon, dass die Bankenrettung nicht ausreicht. "Spanien muss mehr Hilfe beantragen", sagte er im Hinblick darauf, dass auch Milliardenlöcher in den Regionen auftauchen. Nach Valencia und Murcia musste am Mittwoch mit Katalonien die wirtschaftlich bedeutsamste Region des Landes einräumen, Geld aus einem staatlichen Rettungsfonds zu benötigen.

Er soll mit 18 Milliarden Euro ausgestattet werden. Doch woher die Zentralregierung das Geld nehmen will, ist unklar. Dazu kommen Zweifel, ob diese Summe reicht. Bis zum Jahresende müssen spanische Regionen 35 Milliarden Euro refinanzieren und dazu brauchen sie weitere 15 Milliarden Euro, um über die Runden zu kommen. Dass sich Spanien das Geld bezahlbar am Kapitalmarkt besorgen kann, glaubt kaum jemand, weshalb nur der EFSF und der ESM bleiben. Denn trotz der Debatte um neue Hilfen liegen die Zinsen noch bei 7%, die auch Reynders für "untragbar" hält.