Kaczynski wird Europäer

Auch mit der Unterschrift des polnischen Präsidenten ist vermutlich das Thema EU-Vertrag in Polen nicht endgültig erledigt.

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Wie Polens Staatspräsident Lech Kaczynski auf das Abstimmungsergebnis in Irland reagierte, ist nicht bekannt. Dass das "Ja" der Iren zum Lissabonner Vertrag ihn nun aber zum Handeln zwingt, ist jedoch unbestreitbar. Obwohl der Sejm bereits im April 2008 den Reformvertrag verabschiedete, nach einer dreiwöchigen Debatte, die fast die Partei seines Zwillingsbruders Jaroslaw gesprengt hätte, verweigerte der EU-Skeptiker bisher seine notwendige Unterschrift. "Erst wenn die Iren dem EU-Vertrag zustimmen, werde auch ich den Vertrag ratifizieren. Und dies sofort", versprach Kaczynski in den vergangen Monaten seinen europäischen und polnischen Kritikern.

Nun haben die Iren dem Vertrag von Lissabon zugestimmt, doch das polnische Staatsoberhaupt hat sein Versprechen bisher nicht eingelöst. "Wann unterschreibt Kaczynski denn endlich?", fragte sich am Montag die polnische Presse und bekam aus dem Präsidialamt eine aus europäischer Sicht enttäuschende Antwort. "Der Präsident wird den Vertrag unterschreiben, doch dies muss nicht überstürzt getan werden", erklärte Wladyslaw Stasiak, Chef der Präsidialkanzlei, im polnischen Radio.

Die Ankündigung dürfte vor allem Donald Tusk beunruhigen. Seit April letzten Jahres appelliert der Premierminister, der Präsident möge doch endlich den Vertrag ratifizieren. "Dies würde die Position Polens innerhalb der EU stärken", sagte Tusk immer wieder zur Begründung, zuletzt nach der erneuten Abstimmung in Irland.

Doch der polnische Regierungschef weiß, dass die Weigerung Kaczynskis mit seiner Person verbunden ist. Seit seinem deutlichen Erfolg bei den vorgezogenen Parlamentswahlen 2007 liefern sich Tusk und Kaczynski einen vorgezogenen Präsidentschaftswahlkampf, der eigentlich erst im nächsten Jahr offiziell eröffnet wird. Und zum Leidwesen Brüssels ist die Europäische Union zu einem Streitthema dieses Wahlkampfs geworden. Diese Erfahrung machten die europäischen Partner nicht nur bei der Weigerung Kaczynskis, den EU-Vertrag zu ratifizieren, sondern auch bei den regelmäßigen Gipfeln der Gemeinschaft. Im Vorfeld der Treffen stritten Donald Tusk und Lech Kaczynski fast immer darüber, wer Polen in Brüssel vertreten soll. Ein Streit, der oft dazu führte, dass Polen bei diesen Arbeitstreffen mit zwei Stimmen sprach.

Dass dieser Streit auch mitentscheidend ist bei der Ratifizierung des EU-Vertrags, machte Wladyslaw Stasiak am Montag im polnischen Rundfunk deutlich. Erst, nachdem die Regierung dem Staatsoberhaupt ein Mitspracherecht bei der Außenpolitik eingeräumt habe, so wie es das Verfassungsgericht empfahl, werde Lech Kaczynski den Vertrag von Lissabon ratifizieren.

Zu dem Schritt ist die wegen der Glücksspiel-Affäre momentan schwer angeschlagene Regierung offenbar bereit. Wie bekannt wurde, wird Sejmmarschall Boguslaw Komorowski dem Präsidenten in den nächsten Tagen ein so genanntes "Kompetenzgesetz" vorstellen. Und dieses scheint Lech Kaczynski schon jetzt sehr entgegenzukommen. Wie die Präsidialkanzlei am Mittwoch verkündete, wird der Präsident den EU-Vertrag demnächst bei einer feierlichen Zeremonie ratifizieren, ohne jedoch ein genaues Datum zu nennen.

Ob mit der Unterschrift Kaczynskis das Thema EU-Vertrag in Polen endgültig erledigt ist, bleibt jedoch fraglich. Einige Abgeordnete von Recht und Gerechtigkeit ( PIS), aus deren Reihen Lech Kaczynski kommt, appellieren an den Präsidenten, mit seiner Unterschrift zu warten. "Irland hat mit der Ratifizierung des EU-Vertrags gezögert und hat davon profitiert. Als Gegenleistung für die zweite Abstimmung erhielt Irland von der Europäischen Union nicht nur Freiheiten bei der Gesetzgebung, sondern auch enorme Finanzhilfen. Es wäre besser, sich ein Beispiel an Irland zu nehmen und aus der EU soviel herauszupressen, wie es nur geht", sagte Zbigniew Girzynski dem Online-Portal der polnischen Newsweek.

Diese Haltung sollte Europa beunruhigen, auch wenn sie nur von einem unbekannten Parlamentarier stammt, der im außenpolitischen Ausschuss sitzt. Wie Girzynski ankündigte, will er gemeinsam mit anderen Parteifreunden vor das Verfassungsgericht ziehen, um den EU-Vertrag zu verhindern.