Das Geheimnis der Mailbox

Juristisches zum Umgang mit Funden auf Anrufbeantwortern

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In den letzten Tagen kommentierten etliche Hobby-Juristen den Umgang des BILD-Chefs Kai Diekmann mit dem Schatz auf seiner Mailbox, die zum Teil sogar eine strafrechtliche Relevanz der Inhaltsangaben argwöhnten. So sahen einige etwa § 201 StGB verletzt, der das nicht öffentlich gesprochene Wort schützen soll und etwa das unbefugte Mitschneiden von Telefonaten unter Strafe stellt. Die vom Bundespräsidenten freiwillig auf der Diekmannschen Mailbox hinterlassene Aufnahme hatte dieser jedoch selbst produziert, auch eine inhaltliche Preisgabe dieser als solche legal hergestellten Aufnahme erfüllt den Straftatbestand nicht. Ebenso wenig liegt eine Verunglimpfung des Bundespräsidenten nach § 90 StGB vor, denn weder geht es um falsche Tatsachenbehauptung, noch dürfte die Preisgabe des eigenen entäußerten Wortes als eine erhebliche Ehrenkränkung zu werten sein. Erst recht nicht ist das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG verletzt, denn dieses betrifft nur die Übertragung der schließlich auf der Mailbox fixierten Nachricht.

Eine andere Frage ist es, ob die Preisgabe von auf Mailboxen hinterlassenen Nachrichten gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder sonstiges Zivilrecht verstoßen könnte. Müssen wir nunmehr damit rechnen, dass alle jemals von uns auf anderer Leuten Mailbox hinterlassene Nachrichten ihren Weg in die Medien finden, etwa über das Internet? Dies ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls. Steht man etwa mit dem Angerufenen in Vertragsbeziehungen, so wäre eine entsprechende Indiskretion eine Verletzung von nebenvertraglichen Leistungstreuepflichten. Auch gibt es besondere Berufsgruppen wie Ärzte, Anwälte oder sonstige Berufsgeheimnisträger, die per se zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, sowie im Bereich der öffentlichen Verwaltung. Journalisten haben zwar gewisse Zeugnisverweigerungsrechte und dürfen sich auf das Redaktionsgeheimnis berufen, umgekehrt jedoch verpflichtet sie ihr Sonderstatus jedenfalls nicht juristisch zum eigenen Schweigen – auch, wenn ihnen das aus Gründen des Vertrauensschutzes grundsätzlich anzuraten wäre.

Bei sonstigen Personen kommt es auf den Inhalt der Nachricht an. Betrifft dieser reine Privatangelegenheiten, so ist eine öffentliche Preisgabe grundsätzlich unzulässig, während Sachverhalte im Zusammenhang mit dem beruflichen Wirken bei einem Minimum an Interesse der Öffentlichkeit von der Pressefreiheit erfasst werden. Insbesondere Spitzenpolitiker, die sich öffentlichen Wahlen stellen, darf ein erhöhtes Maß öffentlicher Beachtung zugemutet werden.

Aber auch private Sachverhalte können berichtet werden, wenn diese freiwillig öffentlich gemacht wurden oder aber ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit besteht. Der Bericht über einen privaten Kredit ist jedenfalls dann von erheblichem öffentlichem Interesse, wenn ein prominenter Amtsträger „ungenaue“ Angaben gemacht hat und der Vorwurf von Interessenkollision im Raum steht. Ist eine Aufnahme zudem geeignet, eine Person der Zeitgeschichte mit hohem Moralanspruch der Unwahrheit zu überführen, darf man von einem exorbitant hohem Berichtsinteresse ausgehen, sodass eine Abwägungsentscheidung zwischen dem in den Art. 1 GG und Art. 2 GG verorteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit aus Art. 5 GG zugunsten letzterer ausfallen muss.

Die öffentlich kommunizierte Bitte des BILD-Chefs um Zustimmung zur Veröffentlichung dürfte daher kaum juristisch motiviert sein, vielmehr wird es sich um ein taktisches Manöver handeln, um den „im Krieg befindlichen“ Bundespräsidenten vorzuführen und den Streit am Kochen zu halten. Wie heute bekannt wurde, scheint Wulffs Anwalt denn auch nicht den kaum aussichtsreichen Rechtsweg zu bemühen, sondern appelliert an das „Verantwortungsbewusstsein“ der Medien. Der Anspruch auf Vertuschung des unpräsidialen Faux Pas ist damit keine juristische, sondern eine politische Frage – ebenso wie die Platzierung des Themas überhaupt. Der erfahrene Journalist Friedrich Küppersbusch kommentierte treffend, dass vergleichbare Manipulationsversuche in Berlin 20 Mal am Tag passieren.

Ungleich besser als bei den Juristen ist der Stoff bei den Satirikern aufgehoben.