Warnung vor dem Gänsebraten

Oder: Auch in diesem Jahr könnte zu Weihnachten an der Leipziger Börse wieder Strom verschenkt werden

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Alle Jahre wieder. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW warnt vor dem Weihnachtsbraten. Am ersten Weihnachstag werde der Stromverbrauch der Haushalte erfahrungsgemäß um ein Drittel steigen, heißt es in einer Pressemitteilung des Verbandes, der in seinen Reihen neben den kommunalen Stromversorgern auch Branchenriesen wie E.on, RWE und EnBW vereint. Verband rechnet mit 120 Millionen Kilowattstunden, die für den Weihnachtsschmaus am ersten Feiertag verbraucht würden und spricht wie schon im Jahr zuvor von einer "Gänsebratenspitze".

Unerwähnt bleibt allerdings, dass hierzulande die privaten Haushalte nur den kleineren Teil der elektrischen Energie beziehen. Das Gros wird von Industrie und Gewerbe abgenommen, und die werden wie jedes Jahr ihren Verbrauch in der Weihnachtszeit drastisch drosseln. Auf die Versorgungsunternehmen kommt daher ein ganz anderes Problem zu: Da die Konzerne an ihren schwerfälligen Atom- und Kohlekraftwerken hängen, könnten sie wie schon im letzten Jahr Schwierigkeiten haben, ihren Strom abzusetzen.

2009 hatte der BDEW in der Vorweihnachtszeit eine nahezu gleichlautende Erklärung verbreitet und vor der "Gänsebratenspitze" gewarnt. Allerdings gab es dann, wie seinerzeit berichtet, an einigen Feiertagen den Strom an der Leipziger Börse geschenkt. Der Grund: Am zweiten Weihnachtstag waren aufgrund besonders guter Windverhältnisse rund 20 GW Windleistung im Netz.

Mal sehen, was der Weihnachtsmann für die Windmüller in diesem Jahr im Gepäck hat. Nachdem 2010 bisher wie schon das Vorjahr deutlich unterdurchschnittliche Erträge gebracht hat, sieht es auf den Vorhersagekarten des Deutschen Wetterdienstes derzeit danach aus, dass es ausgerechnet während der "Gänsebratenspitze" tüchtig Wind geben wird.

Wer es genau wissen will, kann die tatsächlich aus Windkraftanlagen eingespeiste Leistung auf der Homepage der Strombörse verfolgen. Auch die Sonne kann übrigens selbst zur Weihnachtszeit nach zwölf Uhr für zwei bis drei Stunden, also in der besten Bratenzeit, noch 0,5 Gigawatt oder etwas mehr, also rund 1,5 Millionen Kilowattstunden, beitragen.

Das macht die Gans nicht gerade fetter, bedeutet aber immerhin, dass auf ein oder zwei der teuersten Spitzenlastkraftwerke zusätzlich verzichtet werden kann, was den Strompreis insgesamt drückt. Allerdings nicht den der Verbraucher, sondern nur jenen, den Einkäufer an der Börse bezahlen. Perfider Weise steigt damit aber auch der Abstand zwischen Börenpreis auf der einen und Einspeisevergütung für den "grünen" Strom auf der anderen Seite und damit zugleich dessen vermeintliche Kosten, die den privaten Verbrauchern - im Gegensatz zu den energieintensiven Industrien - als EEG-Umlage in Rechnung gestellt werden.