"Es ist billiger, in erneuerbare Energien zu investieren"

Erneuerbare Energien könnten Spanien helfen, die tiefe Wirtschaftskrise zu überwinden

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Der EU-Energiekommissar Günther Oettinger hat sein Strategiepapier vorgestellt und fordert unter anderem einen Ausbau erneuerbarer Energien. Für Länder wie Spanien "ist es billiger in erneuerbare Energien zu investieren, als Energie aus Algerien oder anderen Ländern zu importieren", sagte Oettinger der spanischen Tageszeitung El Pais. Das Land wird von Brüssel gedrängt, erneuerbare Energien auszubauen. Das hat nicht nur mit seinem Standortvorteil zu tun, sondern auch mit der starken Energieabhängigkeit. Das Sonnenland muss derzeit 79% seines Energiebedarfs importieren und liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt von 54%.

Oettinger setzt dabei vor allem auf den Wettbewerbsvorteil, den Länder wie Spanien vor allem im Bereich der Solarenergie haben. Er fordert, dass der europäische Energiesektor wettbewerbsfähiger werden muss. "Dies bedeutet, Wind- und Solarenergie dort zu produzieren, wo es wirtschaftlich sinnvoll ist, und damit in ganz Europa zu handeln, wie wir es auch mit anderen Produkten und Dienstleistungen tun." So könne ein Mitgliedstaat dort den erneuerbaren Strom kaufen, wenn dies billiger sei als die Produktion im eigenen Land. Das Sonnenland hat neben Fotovoltaik und Windenergie auch ein enormes Potential im Bereich Biomasse, Wellenkraft und solarthermischen Großanlagen, wo zudem schon Know-how mit Pilotanlagen entwickelt wurde. Das Land könnte in seiner schweren Wirtschaftskrise davon profitieren, dass die EU-Kommission den Anteil der erneuerbaren Energien weiter ausbauen will. Beim bisherigen Ziel, 2020 in der Gemeinschaft 20% nachhaltig zu erzeugen, "sind wir nicht nur im Plan, wir sind sogar etwas weiter als der Ausbauplan in Richtung 2020 vorsieht", sagte Oettinger.

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Solarfelder neben Weinreben und Mandelbäumen. Foto: Ralf Streck

Und er fordert, Europa solle sich neue verbindliche Ziele für 2030 setzen, weshalb darüber Spanien auch die extreme Arbeitslosigkeit von fast 25% abbauen könnte. "Ein starker Ausbau der erneuerbaren Energiequellen bis 2030 könnte mehr als 3 Millionen Arbeitsplätze schaffen", heißt es im Strategiepapier. Die europäische Führungsrolle in diesem Bereich erhöhe insgesamt die internationale Wettbewerbsfähigkeit, "da Industriezweige mit sauberen Technologien weltweit immer größere Bedeutung erlangen".

Zwar sprach Oettinger und sein Strategiepapier kein Land konkret an, doch kürzlich hat die EU-Kommission harte Kritik an der spanischen Umwelt- und Energiepolitik geübt, weil die konservative Regierung genau das Gegenteil macht. In einem Arbeitspapier kritisiert Brüssel, dass die regierende Volkspartei (PP) die Förderung für erneuerbare Energien gestoppt hat. Um zu sparen, wurde per Dekret beschlossen, dass neue Ökostrom-Anlagen keine Einspeisevergütung mehr erhalten.

Wenn Änderungen "von einem Tag auf den anderen und zum Teil sogar rückwirkend vorgenommen werden", wie dies in Spanien schon unter den Sozialisten der Fall war, "untergräbt ein solches Vorgehen das Vertrauen der Investoren", kritisiert Oettinger. Denn die EU-Kommission setzt bei den Ausbauplänen auch auf private Investitionen. Die rückwirkende Anpassung von Subventionen hat in Spanien schon 55.000 Kleinanleger, die ihre Ersparnisse in Solaranlagen gesteckt hatten, zum Teil in den Ruin getrieben.

Zahllose Bauern vor dem Solarbankrott

In Spanien stehen auch zahllose Bauern vor dem Solarbankrott wie in der Weinregion La Rioja. Viele Weinbauern hatten sinkende Preise für Trauben dazu bewegt, in riesige "Huerta Solares" zu investieren. So nennt man Solarparks im freien Gelände, von denen im Solarboom bis 2008 etwa 50.000 wie Pilze aus dem Boden schossen. Auch die Solarbauern in der Rioja sind von der rückwirkenden Kürzung der Einspeisevergütung betroffen. In Madrid war man sich über das rechtlich fragwürdige Vorgehen bewusst, weshalb - wieder einmal - getrickst wurde. Die Vergütung wurde zwar beibehalten, doch die Betriebsstunden für die Jahre 2011-2013 auf 1250 Stunden im Jahr limitiert. "Ab September wird unsere Anlage Verluste einfahren", erklären viele Solarbauer in der Rioja nun. Für sie handelte es sich um eine die Kürzung von etwa 30%, womit viele Anlagen nicht mehr rentabel seien.

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Solaranlagen in Milagro. Foto: Ralf Streck

Denn meist wurden auch diese Anlagen über Kredite finanziert. Banken vergaben sie einst problemlos, schließlich garantierte der Staat über 25 Jahre in dem Sonnenland eine Vergütung, die noch höher als in Deutschland war. So wurde auch in diesem Sektor eine Blase geschaffen. Über Subventionen wurden auch weniger optimale Anlagen rentabel. Kredite bis zu 700.000 Euro wurden vergeben, für die nun das Eigentum der Bauern als Sicherheit dient. Die Kredite müssen aber auch dann noch bezahlt werden, wenn im Herbst, wenn das Stundenlimit erreicht ist, der Strom nur noch zum Normaltarif eingespeist wird und damit weit unter den Erzeugerpreisen liegt. Schon 2011 konnten einige Bauern die Kredite nicht mehr bedienen. Zu faulen Immobilienkrediten kommen nun auch faule Solarkredite hinzu, die sich ebenfalls bei abstürzenden spanischen Banken stapeln.

Der erratische Kurs zwischen einer Übersubventionierung, die falsche Anreize setzt, und der hektischen Rücknahme, die viele in den Ruin treibt, ist nur ein Problem der spanischen Energiepolitik. Anders als Oettinger kritisiert das Arbeitspapier der EU-Kommission Spanien auch offen für seine merkwürdige und intransparente Tarifpolitik:

"Das Tarifsystem in Spanien ist weiter ineffizient und es besteht zu wenig Wettbewerb", ist Brüssel auch mit den von der Regierung vorgelegten Reformvorschlägen bisher sehr unzufrieden. Entsetzt ist die EU-Kommission darüber, dass die "Umsetzung der EU-Umweltrichtlinien übergangen wird".

Längst abgeschriebene Anlagen "wie Atom- und Wasserkraftwerke" sollen eine "exzessive Vergütung" für den Strom erhalten

Gefordert wird eine "Vereinfachung der komplizierten Vorgänge zur Planung und Genehmigung und die Beseitigung anderer Hindernisse für die Entwicklung von regenerativen Energien". Ganz besonders hart kritisiert Brüssel aber das spanische Tarifsystem. Madrid führt gerne an, ein Tarifdefizit (eine spanische Besonderheit) von 24 Milliarden Euro müsse abgebaut werden. Verantwortlich macht Spanien dafür vor allem die bisherige Förderung erneuerbarer Energien. Doch die EU-Kommission kommt zu einem anderen Ergebnis. "Eine unzureichende Konkurrenz" habe daran einen Anteil, weil längst abgeschriebene Anlagen "wie Atom- und Wasserkraftwerke" eine "exzessive Vergütung" für den Strom erhielten. Kritisiert wird auch, dass es weiterhin hohe Kohle-Subventionen gäbe, mit der eine umweltschädliche Stromerzeugung gefördert werde.

Das geltende Tarifsystem haben die Konservativen 2001 eingeführt und es wurde von den Sozialisten zwischen 2004 und 2011 nicht geändert. So werden zunächst die günstigsten Kraftwerke zur Deckung der Stromversorgung zugeschaltet. Es folgt stets die nächst teurere Anlage, bis der Bedarf gedeckt ist. Der Preis für die Verbraucher legt aber die zuletzt zugeschaltete teuerste Anlage fest. Alte Anlagen profitieren davon besonders wie das Uralt-Atomkraftwerk von Santa Maria de Garoña.

Der gefährliche Meiler, baugleich wie die havarierten Reaktoren in Fukushima, ist seit 1971 am Netz, obwohl seine Lebensdauer nur für 40 Jahre ausgelegt war und die gravierenden Probleme dieser Reaktoren Jahrzehnte bekannt sind. Hatten die Sozialisten die Laufzeit schon bis 2013 verlängert, wollen die Konservativen dem Meiler noch länger am Netz lassen.