ETA stützt mit Waffenruhe die Regierung Zapatero

Die Konservativen blasen zum Angriff, um über den Haushalt 2011 Zapatero zum Rücktritt zu zwingen

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Eigentlich war es keine wirkliche Überraschung, dass die baskische Separatistenorganisation ETA nun bestätigt hat, seit Monaten eine Waffenruhe einzuhalten. Sie hat ein entsprechendes Video mit einer Erklärung an die BBC geschickt. Darin erklärt sie: "ETA teilt mit, dass vor einigen Monaten die Entscheidung gefallen ist, keine offensiven bewaffneten Aktionen durchzuführen." Sie wählte die BBC, weil sie sich mit ihrer Entscheidung für eine mögliche friedliche Konfliktlösung an die dafür bedeutsame "internationale Öffentlichkeit" wendet. "Wir rufen diese dazu auf, mit Verantwortlichkeit auf den Willen und die Verpflichtung der ETA zu antworten und sich an der Ausarbeitung einer dauerhaften, gerechten und demokratischen Lösung für diesen jahrhundertealten politischen Konflikt zu beteiligen", erklären drei vermummte Mitglieder in baskischer Sprache.

Seit ihrer Sommeroffensive vor gut einem Jahr, mit der die ETA ihr 50jähriges Bestehen begangen hat und Stärke zeigen wollte, führte sie keine Anschläge mehr aus. Für alle, die sich mit der Lage im Baskenland beschäftigen und mit der Geschichte der Organisation vertraut sind, war damit klar, dass sie sich längst in einer nicht ausgesprochenen Waffenruhe befand. Das hatte nur zweitrangig mit Verfolgungsdruck, militärischer Stärke oder Logistik zu tun. Bedeutsam ist das politische Umfeld, aus dem sie kommt und in dem sie agiert. In der baskischen Gesellschaft allgemein und auch in der linken Unabhängigkeitbewegung, hat sich durchgesetzt, dass der bewaffnete Kampf der ETA inzwischen dem Ansinnen vieler Basken eher schadet und ein Zusammenführen der verschiedenen Kräfte erschwert oder verhindert. Deshalb ist von der baskischen Linken, die für gleiche oder ähnliche Ziele wie die ETA eintritt, also für ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Baskenland, der Druck auf die ETA enorm gewachsen. Dass sie den letzten Friedensprozess zum Jahreswechsel 2006/2007 gesprengt hat, den die in Spanien verbotene Partei Batasuna auf den Weg gebracht hatte, wollte die baskische Linke nicht hinnehmen.

Begleitet wurde der Vorstoß im Baskenland dadurch die Formierung der Zivilgesellschaft. So hat zum Beispiel Batasuna eine Aktionseinheit mit der sozialdemokratischen Baskischen Solidaritätspartei (EA) geschmiedet. In einer gemeinsamen Erklärung wurde dabei im Juni deutlich gemacht, dass "ausschließlich auf demokratische Mittel" gesetzt wird. Letztlich trägt die ETA, dieser Entwicklung Rechnung, denn die beiden Parteien hatten sich ohnehin gerade auf einen Text geeinigt, um von der ETA die von der internationalen Friedensinitiative "überprüfbare und permanente" Waffenruhe nach irischem Vorbild zu fordern. Von der spricht die ETA zwar in der Erklärung noch nicht, doch daran führt kein Weg vorbei, wenn der Prozess eine Chance bekommen soll. Das Papier, das vor der Veröffentlichung schon an die Presse durchgesickert ist, solle dazu dienen, die Aktionseinheit um weitere Parteien, Gewerkschaften und Organisationen zu erweitern. Die ETA, welche diese Bemühungen nicht torpedieren will, blieb keine andere Möglichkeit mehr, als sich nun öffentlich zu erklären.

Für den spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero ist dieser Vorgang letztlich ein Rettungsanker, um nicht die nächsten Monate aus dem Amt gejagt zu werden. Schließlich ist nun die Geduld der katalanischen Partei Konvergenz und Einheit (CiU) vorbei. Bisher hat die rechtsbürgerliche Partei die sozialdemokratische Minderheitsregierung in Madrid noch bei allen Vorhaben gestützt und auch ihre Sparpläne durch das Parlament laufen lassen.

Doch die CiU hatte stets betont, dass ihre Geduld begrenzt sei und sie bläst nun offen zum Sturz von Zapatero. Sie hat gerade die Baskisch Nationalistischen Partei (PNV), mit der sie enge Beziehungen unterhält, aufgefordert, gemeinsam mit der rechten Volkspartei (PP) gegen den Haushalt 2001 zu stimmen. Sie will damit im Herbst vorgezogene Neuwahlen "erzwingen", wie das Führungsmitglied Felip Puig die "Aufforderung an unsere Freunde und Partner der PNV" erklärte.

Für die PNV schlägt aber nun die Stunde, um zu versuchen, historische Forderungen der Basken durchzusetzen. Sie hat Dutzende Kompetenzen im Blick, die auch 30 Jahre nach der Verabschiedung des Autonomiestatuts nie an die Basken übertragen wurden, obwohl sie Verfassungsrang haben. Schon 2008 und 2009 unterstützte die PNV die jeweiligen Haushalte mit den Stimmen ihrer Parlamentarier, damit das Baskenland ausstehende Kompetenzen im Bereich Forschung und Entwicklung und der aktiven Arbeitsmarktpolitik übertragen bekommt.

Zapatero weiß um seine Schwäche und bot der PNV inzwischen eine "Beteiligung" an. Er will sich eine gewisse Stabilität erkaufen, um die Legislaturperiode bis 2012 beenden zu können. Einfach wird es ihm die PNV aber nicht machen, wenngleich die neuen politischen Entwicklungen im Baskenland ihr den Weg ebnen, um einen Schritt auf Zapatero zuzugehen. Denn auch die Erfahrungen der PNV mit der PSOE sind sehr schlecht. Deshalb fordert sie, um überhaupt Verhandlungen über den Haushalt aufzunehmen, dass zunächst die schon versprochenen Kompetenzen zur Arbeitsmarktpolitik übertragen werden. Auch dieses Versprechen hat Zapatero bisher nicht eingelöst. Im Blick hat sie nun, dass endlich das baskische Sozialsystem in die Hände der baskischen Regierung kommt.

Die CiU macht Druck auf die PNV und erklärt, Zapatero sei "nicht zu trauen". Sie weist auf das katalanische Autonomiestatut hin, dass mit Zapatero verabschiedet wurde, aber inzwischen völlig verstümmelt ist, was zu einer Konfrontation zwischen Katalonien und Spanien geführt hat. Die PNV weist darauf hin, dass bei Neuwahlen jetzt der ultrakonservativen PP wohl eine absolute Mehrheit bescheren würden. Die PP hat vor dem Verfassungsgericht gegen das neue katalanische Autonomiestatut geklagt, weil sie ständig die Einheit Spaniens in Gefahr sieht. Deshalb bekämpft sie die katalanischen und baskischen Bestrebungen nach mehr Autonomie und Selbstbestimmung mit allen Mitteln. So helfen letztlich die linke Unabhängigkeitsbewegung und die ETA der sozialistischen Regierung, an der Macht zu bleiben. Die PNV muss von Maximalforderungen nun Abstand nehmen. Viele Basken würden es ihr nicht verzeihen, jetzt, wo wieder eine friedliche Beilegung des Konflikts möglich wird, Zapatero zu stürzen.