Der spanische Weg auf der Suche nach einem Atommülllager

Eine Vorentscheidung soll für ein temporäres Atommülllager im Dorf Zarra gefallen sein

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Nun soll das kleine Dorf Zarra, das ein Dutzend Kilometer entfernt vom Atomkraftwerk Cofrentes liegt, der Lagerort für spanischen Atommüll werden. Jedenfalls sei eine Vorentscheidung für das Dorf in der Region Valencia gefallen, welches das "Almacén Temporal Centralizado" (ATC), also das zentrale Zwischenlager, beherbergen soll, hatte das Industrieministerium mitgeteilt. In Zarra soll der Atommüll für 60 Jahre eingelagert werden.

Das ATC sollte eigentlich schon 2010 in Betrieb gehen, doch 2006 scheiterte eine Ausschreibung. Es gab kaum Bewerber und der heftige Widerstand in den Gemeinden, die mit dem Projekt liebäugelten, ließen die Bürgermeister schnell zum Rückzug blasen. Die schwere Wirtschaftkrise nutzend wurde im Frühjahr eine neue Ausschreibung gestartet. 14 Gemeinden ließen sich mit bis zu 500 Jobs ködern, die das ATC neben den sechs Millionen Euro Direktzahlung bringen soll. In Regionen, in denen die Arbeitslosigkeit wie in Valencia mit 24% sogar noch deutlich über dem offiziellen Durchschnitt von über 20 % liegt, hoffen diese Gemeinden auf eine wirtschaftliche Belebung.

Dass 2011 aber eine Möglichkeit geschaffen wird, um den Atommüll aufzunehmen, der aus Frankreich zurückkommen soll, darf schon wegen der Bau- und Genehmigungszeit bezweifelt werden. Über 20 Jahre wurden abgebrannte Brennstäbe bis 1994 zur Wiederaufarbeitung ins Nachbarland verschickt. Ein Abkommen sieht vor, dass Spanien am 1. Januar fast 250 Millionen Euro an Frankreich für den Müll zahlen muss. Wenn es dann den Müll nicht zurücknimmt, werden täglich Strafzahlungen von 60.000 Euro fällig. Das wären allein im kommenden Jahr knapp 22 Millionen.

Dass in Zarra ein Lager errichtet wird, bezweifelt sogar die Tageszeitung El País, die der sozialdemokratischen Regierung unter Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero nahe steht: "Die Regierung schafft Konfusion über den Bestimmungsort des Atomsilos", titelte sie. Eine wirkliche Entscheidung für Zarra sei nicht gefallen, dementierte die Vizeministerpräsidentin Teresa Fernández de la Vega nur zwei Stunden nach der Bekanntgabe des "Ergebnisses" durch den Industrieminister Miguel Sebastián. Nur ein Punktsystem habe bisher zu der technischen Entscheidung geführt.

Zarra liegt vier Punkte vor Ascó, weil die Gemeinde die vollen 10 Punkte dafür bekam, dass das Gelände, auf dem das ATC errichtet werden soll, schon als Industriegelände ausgewiesen sein soll. Doch das ist nicht der Fall, da die Umwidmung des Geländes vom Obersten Gerichtshof Valencias im September 2009 annulliert wurde, auch wenn der Industrieminister das "irrelevant" nennt. In Zarra würde sich also ein langes juristisches Gerangel schon an dieser Frage entwickeln. Umweltschützer gehen davon aus, dass sich Teile des Geländes sogar in einem Naturschutzgebiet befinden. Es hätte einst nur umgewandelt werden können, weil es sich um ein Gebiet handele, dass dem Neffen von Juan Cotino, dem Vizepräsidenten der Regionalregierung, gehöre, sagen sie.

Nun haben aber Cotino und sein Chef in der Regionalregierung Francisco Camps, gegen den wegen Korruption ermittelt wird, ein gravierendes Problem. Zwar setzen sich die Ultrakonservativen seiner Volkspartei (PP) stets für die Atomkraft ein und wollten auch in Spanien einst eine Renaissance der Atomkraft einleiten, doch nun spricht sich die PP-Regionalregierung gegen das ATC in Zarra aus. Gleichzeitig ficht sie aber juristisch das Urteil des Gerichtshofs an, das die Umwandlung des Geländes in ein Industriegebiet annullierte.

Zarra dürfte auch für die Regierung Zapatero nur ein Ablenkungsmanöver sein. Im November wird in Katalonien die Regionalregierung gewählt. Dort liegt Ascó und der Widerstand gegen die Atomkraft ist in Katalonien sehr stark. Dort laufen zwei von ständigen Pannen geplagten Atommeiler und unweit liegt in der Provinz Tarragona auch das Atomkraftwerk Vandellòs, wo einer der beiden Meiler nach einem schweren Störfall schon 1989 abgeschaltet werden musste. Die Katalanen wollen nicht auch noch Spaniens Atomklo werden. Die Sozialdemokraten befürchten, dass eine Entscheidung für Ascó vor den Wahlen der Partei auf dem absteigenden Ast weitere Stimmen kosten würden. Deshalb dürfte vor den Wahlen kaum eine definitive Entscheidung fallen.