Für Polygamie und gegen Homosexualität

Der tunesische Minister für Menschenrechte erklärt Homosexualität zur Perversion

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In Tunesien wird an der Verfasssung gearbeitet. Erste Signale, welche die islamistische Regierungspartei Ennahda sendet, beunruhigen. Denn die Partei will die Scharia in der Verfassung verankern, wie ihr Kritiker entgegenhalten. Zwar ist nicht wörtlich von der Scharia die Rede, aber von islamischen Prinzipien, die eine verbindliche Richtschnur abgeben sollen. Zusammen mit der Ankündigung, Tunesien in der Verfassung auf keinen Fall als säkularen Staat zu definieren und Politik und Religion nicht zu trennen, ruft dies genau die Ängste wach, die von Seiten der säkular ausgerichteten jungen Protestbewegung und der Zivilgesellschaft gegen Ennahda vorgebracht wurden.

Das von Vertreter der islamistischen Partei so häufig bemühte Bekenntnis zur Demokratie wird von einer wachsenden Zahl Skeptikern inzwischen als Täuschungsmanöver angesehen. Eindeutig zeigt sich das etwa an einem kritischen Artikel, der sich aktuell auf dem Internet-Portal Nawaat findet (Nawaat war während der Aufstände Anfang vergangenen Jahres ein zentrales Informationsforum). In dem Kommentar mit dem Titel "Der demokratische Staatsstreich" wird Ennahda vorgeworfen, dass sie die Demokratie mithilfe genau der Möglichkeiten, welche die Demokratie gewährt, unterwandert. Erörtert wird das am Fallbeispiels des Versuchs, über "islamische Prinzipien" die Scharia als Maßgabe einzuführen und damit demokratische Freiheitsrechte auszuhebeln.

Dass die von Vertretern der Partei so oft beteuerte pro-demokratische Haltung sich nicht mit tatsächlichen Auffassungen ihrer Politiker deckt, zeigt sich auf entlarvende Weise und symptomatisch gerade beim tunesischen Minister für Menschenrechte, Samir Dilou. Der hatte im Februar vor laufenden Kameras erklärt, dass er Homosexualität für eine psychische Krankheit hält und die Grundrechte der Homosexuellen, z.B. die Presse-und Meinungsfreiheit, bestimmte rote Linien nicht überschreiten dürfen.

„Es kann nicht sein, dass die sexuelle Perversion ein Menschenrecht ist. Diese Personen sollten sich eher in ärztliche Behandlung begeben.“

Im Wahlkampf zur verfassungsgebenden Versammlung hatten Mitglieder der Ennahda noch laut erklärt, dass man die Rechte der Homosexuellen respektieren werde. Homosexualität ist in Tunesien nach wie vor verboten, es drohen Freiheitsstrafen. Viele hatten sich erhofft, dass das "neue Tunesien" die Menschenrechte ernst nimmt. Vertreter der Zivilgesellschaft haben Intiativen zur Abschaffung dieses menschenverachtenden Strafgesetzes gegründet.

Auf welcher Seite sich der tunesische Minister für Menschenrechte positioniert, hatte er schon vor dieser Äußerung in mehreren Statements klargemacht - als er sich offiziell für die Polygamie stark machte - und in der Verfassung verankert haben will - und als er für den religiösen Eiferer, den äygptischen Prediger Wajdi Ghanim, gegen dessen Kritiker Partei nahm. Ghanim hatte vor kurzem Tunesien besucht und sich vor gut besuchten Veranstaltungen laut zugunsten der Beschneidung und für den Dschihad ausgesprochen. Ghanim war nicht der erste eifernde, radikale Prediger, der von obskuren Organisationen eingeladen wurde, schon zuvor waren saudi-arabische Prediger zu Besuch.

Gewinnen in Tunesien also genau die islamistischen Kräfte mit genau den Positionen, die man fürchtete, die Oberhand? Es gibt Stimmen, die dezidiert dagegen halten. Ennahda würde mit diesem Kurs "politischen Selbstmord" begehen, heißt es auf der Seite Webdo.tn. Tunesien habe den radikalen Islam in seiner Geschichte immer "exkommuniziert".

"L’histoire tunisienne, au-delà des cinquante ans que nous avons franchis avec notre indépendance en mains, a toujours excommunié l'islamisme radical."