"Spanischer Fußball stirbt am Missmanagement"

Der Experte Gay de Liébana stellt dagegen die Bundesliga als besonders positives Beispiel heraus

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Die Aussagen des spanischen Experten für Wirtschaft und Fußball sind eindeutig. Jose María Gay de Liébana ist Wirtschaftsprofessor der Universität Barcelonas und wohl bester Kenner des finanziellen Innenlebens von spanischen Profivereinen. Er legt seit Jahren den Finger in die tiefe Wunde von hoch verschuldeten Profiklubs seiner Heimat. "Der spanische Fußball stirbt und ich glaube, es bleiben ihm noch etwa fünf Jahre." Das ist das vernichtende Urteil für das Land, das Weltmeister, Europameister und Schuldenmeister ist. Noch im vergangenen Jahr gab der Spezialist der Liga zehn Jahre, "doch wenn das so weiter geht, wären fünf schon sehr viele".

Das sagte De Liébena am späten Donnerstag, als er seine fünfte jährliche Studie zur ökonomischen Situation der spanischen und europäischen Clubs in der katalanischen Metropole Barcelona vorgestellt hat. Fünf europäische Profiligen wurden untersucht und neben Spanien auch die Bundesliga, die Premier League in England, die Serie A in Italien und die Ligue 1 in Frankreich. Dabei fiel das Urteil für Spanien sehr negativ aus. "Missmanagement" macht der Experte für die Misere genauso verantwortlich wie die Tatsache, dass der spanische Fußball "keine Anziehungskraft" habe, was man in den Stadien und bei den Einnahmen sehen könne. Die bleiben seit Jahren hinter den Ausgaben zurück, weshalb die Profi-Vereine auf einem Schuldenberg von etwa fünf Milliarden Euro sitzen. Mehr als 700 Millionen Euro schulden sie Finanzämtern oder der Sozialversicherung.

Für die De Liébena bestimmen der FC Barcelona und Real Madrid das Geschehen im Land fast komplett. Nur sie wachsen, während die Einnahmen der übrigen Clubs seit fünf Jahren stagnierten. Erneut wies er auf die ungerechte Verteilung der Einnahmen aus den Fernsehübertragungsrechten hin. Um kleinere Vereine lebens- und konkurrenzfähig zu halten, fordert auch Liébana eine gerechtere Verteilung der Fernsehgelder. Er verweist zum Beispiel auf die Situation in England. Dort würden sie gerechter verteilt, weshalb die kleinen Clubs mehr Geld für Investitionen hätten. Er verweist aber auch auf Italien, wo die Einnahmen von den TV-Anstalten höher seien und ebenfalls besser verteilt würden. "Doch neben der Frage der Verteilung müssen die Einnahmen gesteigert werden", sagte er zur fatalen Situation in spanischen Pleite-Stadien.

Doch die englische und italienische Liga kommen in seiner Analyse auch schlecht weg. Der britische Fußball stehe ebenfalls am Abgrund, wo ebenfalls schon Clubs in die Insolvenz gegangen sind. "Das Modell Premier League ist aus ökonomischer Sicht pleite." Das Chelsea-Modell, die Verluste über Firmen des Besitzers Roman Abramovich zu finanzieren, sei eben kein nachahmenswertes Modell. Ohnehin stehe auch der FC Chelsea vor der Pleite, obwohl er die Champions League gewonnen habe. Ein schlechtes Zeugnis wird auch der italienischen Serie A ausgestellt. Die großen Vereine hätten auch dort enorme ökonomische Probleme. Als positive Beispiele stellt der Professor nur die sparsame französische Ligue 1 und vor allem die Bundesliga heraus. Letztere sei saniert und fähig, die Stadien zu füllen.

Schon vor Jahren hatte De Liébena die Zusammenhänge zwischen dem Fußball und der Ökonomie des jeweiligen Landes untersucht. "Der Fußball ist das lebende Abbild der spanischen Wirtschaft", schrieb er 2009 und sieht diese These immer deutlicher bestätigt. Während Länder wie Frankreich und Deutschland am "Karren" der europäischen Ökonomie zögen, befänden sich auch England, Italien und Spanien in der Rezession und in einer schwierigen Lage. In Spanien wird die Fußball-Blase bald genauso platzen, wie 2008 die Immobilienblase vorhersehbar geplatzt ist. Ein klarer Ausdruck davon sei, dass Spieler mit dem "Ferrari zur Arbeit fahren", während ihre Clubs ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können.

Er stellte die Bedeutung der eigenen Jugendarbeit heraus, weshalb Barcelona deutlich besser dastehe als Madrid, wo man versuche, den Erfolg vor allem mit teuren Spielern zu erkaufen, ohnehin wird der Verein hoch subventioniert. Dagegen wird Barcelona auch steuerlich für die Jugendarbeit bestraft, mit der Spieler wie Messi, Iniesta oder Xavi aufgebaut wurden. Das Pleite-Modell Madrid wird dagegen durch das Beckham-Gesetz begünstigt und deshalb konnte der Verein zum Beispiel sehr viel Geld in den teuersten Spieler Ronaldo stecken. Allein für Ronaldo und Kaká wurden 2009 fast 160 Millionen Euro bezahlt. Insgesamt gaben die "Königlichen" mitten in der Krise 250 Millionen Euro aus. Reals Trainer Mourinho sei eine Pleite-Garantie: "Wenn Mourinho geht, ist der Verein bankrott", vermutet der Wirtschaftsprofessor.