Griechenland: Eine neue Neokolonie?

Gewerkschafter und Linke befürchten, dass das Land auf das Niveau Bulgariens herab gedrückt und zur Sonderwirtschaftszone gemacht werden soll

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Spricht man dieser Tage in Athen mit Menschen über die sozialen Folgen des Spardiktats der Troika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission, dann fällt es selbst gestandenen Parteifunktionären schwer, die Fassung zu bewahren. Sichtbar bewegt berichtet Costas Isychos vom Vorstand des Synaspismos über Schließungen von Krankenhäusern, über Kinder, die keine Schulbücher mehr erhalten, und über die ansteigende Selbstmordrate. Synaspismos ist die größte Partei im Linksbündnis Syriza, das bei den letzten Wahlen zur zweitstärksten Partei nur knapp hinter den Konservativen der Nea Demokratia aufgestiegen ist.

35 bis 40 Prozent der Krankenhäuser seien bereits geschlossen oder würden es bis 2013, berichtet Isychos. In den Schulen bekämen die Kinder seit letztem Jahr nur noch Fotokopien statt Bücher. Die Menschen seien verzweifelt. Viele würden auswandern oder sich das Leben nehmen. Vor allem die gut Ausgebildeten gingen: Allein 22.000 Ärzte seien bereits nach Deutschland gegangen oder hätten es demnächst vor. Rund zwei Drittel der Auswandernden seien Akademiker.

Das neue Sparpaket sei besonders schlimm. Schon jetzt liegt die Arbeitslosigkeit bei knapp 25 Prozent. Zum Ende des Jahres rechnet Isychos mit fast 30 Prozent. 75.000 kleine und mittlere Unternehmen hätten in den letzen zweieinhalb Jahren die Tore geschlossen. Die Löhne seien im Schnitt bereits um 50 Prozent gekürzt worden. Griechenland solle auf das Lohnniveau Bulgariens gedrückt werden, berichtet Isychos wie auch mancher andere Gesprächspartner.

Die Bundesregierung hatte bereits im Mai die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen ins Gespräch gebracht. Derlei Maßnahmen sind hinlänglich aus Südostasien bekannt. Dort gelten für gewöhnlich Steuererleichterungen und andere Sonderrechte für die sich ansiedelnden Unternehmen, während die Beschäftigten keine oder nur eingeschränkte gewerkschaftliche Rechte genießen.

Isychos sieht in den Vorschlägen denn auch das Bestreben, in Europa ein Lohngefüge zu schaffen, das es mit den Verhältnissen in China aufnehmen könnte. Griechenland solle zu einer neuen Neokolonie gemacht werden, damit die europäischen Konzerne es mit der Konkurrenz in den USA und in China aufnehmen können. Anderen südeuropäischen Ländern drohe das gleiche Schicksal.