Twitter-Zensur umgehen

Der Microblogging-Dienst will zwar zukünftig länderspezifisch Meldungen ausblenden, erlaubt aber Standortwechsel in den Profileinstellungen

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Gestern kündigte Twitter an, Tweets künftig länderspezifisch zu zensieren. Als Begründung dafür nennt das Unternehmen Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Deutschland und Frankreich, Beobachter gehen aber davon aus, dass bei der Entscheidung auch der chinesische Markt eine wesentliche Rolle spielte, wo bislang der Konkurrent Sina Weibo Marktführer für elektronische Kurzmitteilungen ist. Wird ein Tweet für ein bestimmtes Land zensiert, dann sollen dessen Bürger stattdessen folgende Botschaft sehen: "This Tweet from @[Username] has been withheld in [Land]".

Dies könnte insofern eine relativ faire Form der Zensur sein, als Twitter auf einer Support-Seite erklärt, was Nutzer tun können, wenn sie irrtümlich einem falschen Land zugeordnet werden: Einfach die Einstellung im Profil ändern. Auf diese Weise könnten auch Bürger, die mit der Zensur in ihrem Herkunftsland unzufrieden sind, eine "virtuelle Heimat" wählen, die genehmere Empfindlichkeiten pflegt. Klappt diese Möglichkeit problemlos, dann dürfte der Microblogging-Dienst auch in Zukunft die Rolle beibehalten, die er im arabischen Frühling für die Organisation von Protesten spielte. Sicher feststellen lässt sich dies allerdings nicht, weil Twitter nach eigenen Angaben bislang noch gar keinen Tweet länderspezifisch zensiert hat.

Wer ausprobieren will, ob die Methode tatsächlich funktioniert, müsste in Deutschland nicht unbedingt einen Ausländer finden, der den Holocaust leugnet, sondern könnte beispielsweise auch auf jemanden zurückgreifen, der den Bundespräsidenten "verunglimpft" (§ 90 StGB), "Störpropaganda" gegen die Bundeswehr betreibt (§ 89 StGB), Staatsgeheimnisse offenbart (§ 95 StGB), "friedensgefährdende Beziehungen" pflegt (§ 100 StGB), Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten "verletzt" (§ 104 StGB) oder ein ausländisches Staatsoberhaupt wie Mahmud Ahmadinedschad beleidigt (§ 103 StGB). Aufgrund der Strafbarkeit der Aufforderung zu Straftaten nach § 111 StGB empfiehlt es sich allerdings, nicht explizit Probetweets anzufordern. Und damit Twitter auch sicher von der Rechtswidrigkeit erfährt, sollte man die Unternehmensführung per Mail informieren.