Aus dem Bohrloch im Golf von Mexiko sollen täglich 15 Millionen Liter Erdöl strömen

Nach neuen Schätzungen ist das Ausmaß der Katastrophe weitaus größer, als bislang angenommen, BP lässt genaue Messungen am Bohrloch nicht zu

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Fast 20 Mal mehr Öl soll aus dem Bohrloch im Golf von Mexiko auslaufen, als bislang meist angenommen wurde. Seit Wochen wird meist davon gesprochen, dass täglich 5.000 Barrel oder 800.000 Liter Öl austreten sollen. Das wurde aus Satellitenaufnahmen von der Meeresoberfläche geschätzt. Als vor einigen Tagen das erste Video vom Bohrloch veröffentlicht wurde, schätzte Steve Werely von der Purdue University allerdings, dass wesentlich mehr Öl ins Meer schießt, nämlich 11 Millionen Liter täglich, wie er am Dienstag dem Unterausschuss für Energie und Umwelt im Repräsentantenhaus erläuterte.

Nach der neuesten Analyse von Filmaufnahmen des Bohrlochs geht Wereley, wie er gestern vor dem Unterausschuss erklärte, von 95.000 Barrel oder 15 Millionen Liter täglich aus. Bei einer Unsicherheit von 20 Prozent würden zwischen 76.000 und 104.000 (12-16,5 Millionen Liter) täglich ins Meer fließen. Allerdings müsse er erst Filme sehen, die den Ausfluss über längere Zeit zeigen, um die Mischung aus Öl und Gas genauer abschätzen zu können.

Der demokratische Abgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses Ed Markey kritisierte, dass die wirklich austretende Menge weiterhin nicht bekannt sei. BP verhindert bislang unabhängige Messungen am Bohrloch. Markey wandte sich gegen den Ölkonzern BP, der erklärt habe, die Menge sei für die Aufräumarbeiten unbedeutend: "Die falsch Logik von BP lässt die Sorge entstehen, dass das volle Ausmaß des Schaden verborgen werden soll."

Neben der Kritik an BP und den Aufsichtsbehörden kommt nun die Kritik an der Regierung, nicht ausreichend für eine wissenschaftliche Untersuchung gesorgt zu haben, wodurch der Ölkonzern das wirkliche Ausmaß des Schadens bislang verschleiern konnte. Führende Ozeanographen sagten vor dem Ausschuss, die National Oceanic and Atmospheric Administration ( NOAA) und andere Behörden hätten zu langsam gehandelt. Seit der Explosion am 20. April sei noch kein einziges Messergebnis vom Wasser in der Tiefe veröffentlicht worden, exakte Werte über den Austritt aus dem Bohrloch gebe es auch nicht. Jane Lubchenco, Leiterin der NOAA, sagte daraufhin, dass alle wissenschaftlichen Ressourcen durch die Katastrophe beansprucht worden seien, man aber jetzt beginnen werde, bessere Informationen zu erhalten.

BP meldet, dass mit dem Rohr, das man an einem der beiden Bohrlöcher angebracht hat, nun täglich 3.000 Barrel Öl (500.000 Liter) und 400.000 Kubikmeter Gas abgepumpt würden. Treffen die Schätzungen zu, dann würde dies keine große Erleichterung bedeuten. Unklarheit herrscht über die Folgen der von BP eingesetzten Chemikalien. Das Umweltministerium EPA hat nun angeordnet, dass BP binnen 24 Stunden eine weniger toxische Substanz zum Aufbrechen des Öls identifizieren und nach 72 Stunden einsetzen muss.

Das Öl strömt derzeit Richtung Florida und scheint in den großen Wirbel zu geraten, der das Wasser um die Südküste der USA herumführt. Von dort aus könnte es auch in den Golfstrom geraten.