Uruguay auf Linkskurs

In Uruguay ist bei den Präsidentschaftswahlen am Sonntag ein Linksruck zu erwarten.

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In Uruguay ist bei den Präsidentschaftswahlen am Sonntag ein Linksruck zu erwarten. Mit dem 74-jährigen José "Pepe" Mujica wird dann allen Prognosen zufolge ein ehemaliger Guerillero in das höchste Staatsamt gewählt werden. Der heute 74-Jährige repräsentiert den linken Flügel der regierenden Partei Frente Amplio. Doch nicht nur die starke Position des einstigen Widerstandskämpfers gegen die Diktatur (1973-1985) markiert den Linkskurs des kleinen südamerikanischen Landes. Parallel zu den Wahlen findet ein Referendum über die Abschaffung des Amnestiegesetzes über die Zeit der Diktatur statt. Die 1986 – noch unter dem Eindruck der Gewaltherrschaft – erlassene Regelung gewährt Verantwortlichen für Menschenrechtsverbrechen grundsätzlich Straffreiheit. Doch auch das wird sich wohl am Sonntag ändern.

Denn parallel zum Wahlkampf engagierten sich linken Parteien und Gruppierungen sowie Menschenrechtsorganisationen gegen die Straffreiheit für Folterer und Mörder der Diktatur. Zehntausende Menschen zogen am Dienstag durch die Straßen der Hauptstadt Montevideo. Hinter dem Fronttransparent waren Dutzende Bilder verschwundener Oppositioneller zu sehen – einfache Schwarz-Weiß-Kopien mit den Namen der insgesamt rund 200 Opfer. Andere Protestteilnehmer schwenkten rosa Fahnen – in Anspielung auf die Farbe der Wahlzettel beim Plebiszit am Sonntag.

Politische Beobachter gehen schon jetzt davon aus, dass die Straffreiheit am Wahltag beendet wird. Zumal am Montag dieser Woche der Oberste Gerichtshof in Montevideo das Amnestiegesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt hat. Die obersten Richter entschieden dabei über den konkreten Fall einer 24-jährigen Frau, die 1974 von einem Militärkommando festgenommen wurde. Nibia Sabalsagaray - eine Lehramtsstudentin, die in der kommunistischen Jugend aktiv war - wurde noch am gleichen Tag in Armeehaft gefoltert und ermordet.

Die offene Debatte und das Urteil des Obersten Gerichtshofes wiesen "nicht nur auf einen politischen, sondern auch auf einen kulturellen Wandel" in Uruguay hin, sagten Vertreter der "Vereinigung der Kinder von verschwundenen Gefangenen", einer der einflussreichsten Menschenrechtsorganisationen in dem 3,5-Millionen-Einwohner-Staat. Noch Ende der 1980er Jahre war ein Referendum über die Abschaffung der Amnestie gescheitert. Grund dafür sei die Angst der Menschen gewesen, sagte der Autor und Essayist Eduardo Galeano am Dienstag auf der Abschlusskundgebung in Montevideo. Diese Angst bestehe heute in Uruguay nicht mehr.

Darauf weist auch die Kandidatur des ehemaligen Widerstandskämpfers Mujica hin. Der 74-Jährige kann mit 45 Prozent der Stimmen rechnen, während die konservative Nationale Partei nur gut 30 Prozent erwarten kann. Die rechtsdemagogische Colorado-Partei kam in den letzten Umfragen auf elf Prozent.