Abteilung zur Behandlung von Internetsucht von Kindern in London eröffnet

Besorgte Eltern können nun zur "technischen Hygiene" ihre "Screenager" in das Capio Nightingale Hospital bringen, um sie wieder zu Teenagern" zu machen, wie die Klinik verspricht

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In China wurde die Marktlücke der angeblichen Internet-Sucht schon länger entdeckt. Jugendliche werden von ihren besorgten Eltern in entsprechenden Suchtkliniken verfrachtet, in denen sie oft mit ziemlich rüden Methoden und viel Drill dem Internet entwöhnt werden, so dass mitterweile die Behörden eingeschritten sind. Noch ist nicht in Sicht, dass Internetsucht zu einer anerkannten Diagnose werden wird. Zumindest in die nächste Ausgabe des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Geistiger Störungen, kurz DSM) dürfte sie nicht aufgenommen werden. Hier werden Sucht oder Abhängigkeit nun durchweg als Störung bezeichnet. So wird es zwar die "gambling disorder" geben, aber auch das "pathologic gambling", nicht aber die "online disorder".

Trotzdem scheint der Markt auch in Europa größer zu werden und die Eltern besorgter. Das Capio Nightingale Hospital in London, wo schon auch mal Amy Winehouse offenbar nicht mit großem Erfolg in Behandlung war und das bislang neben der Behandlung von Depressionen, Essstörungen oder Stress Therapien für Alkohol-, Drogen- und Spielsucht anbietet, hat nun eine Station für Kinder ab 12 Jahren eröffnet, um sie von ihrer Internet-, Computerspiele- oder Handysucht zu befreien, ganz allgemein geht es um die Behandlung der Abhängigkeit von Techniken (Young Person Technology Addiction). Die "screenager" müssten anders behandelt werden als die üblichen Süchtigen, meint der Leiter der Abteilung Richard Graham, um sie wieder in teenager zurückzuverwandeln. Was es kosten wird, soll von den jeweils erforderlichen Maßnahmen abhängig sein.

Allgemein soll die Entwöhnung aus drei Komponenten bestehen, der Aufenthalt in der Klinik soll primär natürlich dazu dienen, die Nutzung der Techniken einzuschränken oder ganz zu kappen, um die Jugendlichen an die Realwelt zurückzuführen. Das nennt sich auch "technische Hygiene" mit dem Fokus auf "Switch Off and Disconnect" und unterstützt durch Schlaf-, Entspannungs- und Energiemanagement-Therapien. Dem soll mit interpersoneller Therapie nachgeholfen werden, um wieder Face-to-Face-Kontakte zu stärken, und dann sollen die "screenager" auch die Fähigkeiten erwerben, die in der "externen Welt" gebraucht werden, sowie besser auf ihren Körper, als Ernährung und Bewegung, zu achten. Irgendwie soll es dabei auch um die Kultivierung des Körperbilds gehen.

Um auf das Angebot aufmerksam zu machen, können Eltern auch schon mal online einen Suchttest mit ihrem Nachwauchs machen. Da wird beispielsweise gefragt, ob man öfter länger online geblieben ist, als man sollte, ob man andere Tätigkeiten vermieden hat, um länger online zu sein, oder ob man öfter daran denkt, wann man wieder online gehen kann, wenn man offline ist. Geantwortet kann auf die 10 Fragen jeweils mit Ja und Nein. Wenn man öfter als fünfmal mit Ja geantwortet hat, so heißt es dann, hat man "wahrscheinlich Probleme mit der Technik". Und dafür gibt es dann ja die Klinik und ihr Angebot.