Spanische Sozialisten erhalten rote Karte

Die baskische Linkskoalition Bildu wurde aus dem Stegreif zweitstärkste Kraft

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Die spanischen Sozialisten (PSOE) haben am Sonntag von ihren Wählern die rote Karte für ihre fatale Wirtschafts- und Sozialpolitik in dem abstürzenden Land erhalten. In 13 von 17 spanischen Regionen wurden die Regionalparlamente gewählt und im gesamten Staat die Gemeinderäte. Dabei musste die PSOE - Sozialdemokraten mit nationalistischem Einschlag - ihre schwerste Niederlage einstecken. Einen deutlichen Beitrag dazu hat auch die Demokratiebewegung "Wirkliche Demokratie Jetzt" geleistet, die seit gut einer Woche dafür wirbt, der PSOE und der großen rechten Volkspartei (PP) keine Stimme zu geben ().

Zehntausende demonstrieren und halten seit gut einer Woche zentralen Plätze in vielen Städten besetzt, um gegen die "Zweiparteiendiktatur" der "PPSOE" zu protestieren, welche die Kosten für die schwere Krise und die Bankenrettung der einfachen Bevölkerung aufbürden. Die Proteste haben sich über das Wochenende weiter verstärkt, die Verbote der Wahlkommission wurden schlicht missachtet. Die "Empörten", wie sie sich in Bezug auf das Buch des ehemaligen Résistance-Kämpfers Stéphane Hessel "Indignez vous!" berufen, werden die Protestcamps auch nach den Wahlen nicht abbauen und wollen ihren Widerstand weiter verstärken.

Da es sich um eine linke Bewegung handelt, war klar, dass ihr Einbruch in den Wahlkampf den Einbruch für die regierende PSOE noch vertiefen würde, weil sie die Stammwählerschaft der postfaschistischen PP nur kaum erreicht. Wenn viele in Spanien nicht oder kleinere Parteien wählen, kommt das stets der ultrakonservativen Partei zugute, wofür auch das Wahlrecht sorgt, das großen Parteien Vorteile verschafft. Deshalb wird auf der Straße lautstark eben derzeit auch eine Wahlrechtsreform gefordert.

Die PSOE ist abgestürzt. Nachdem sie schon bei den Europarlamentswahlen 2009 auf 38,5% gefallen war, blieben am Sonntag landesweit noch knapp 28% übrig. Damit verzeichneten die Sozialdemokraten das schlechteste Ergebnis in der jüngeren Geschichte des Landes. Sie hat Hochburgen wie Sevilla und Barcelona verloren, die sie seit 30 Jahren regiert hat. Dazu gingen auch fast alle Regionalregierungen an die PP. Besonders schwer wiegt, dass sie auch die Hochburg Kastilien – La Mancha abgeben muss.

Da die Vereinte Linke (IU) erstmals vom Unmut und Rekordarbeitslosigkeit im Land profitieren konnte, hat sie landesweit 6,3% erreicht. Bei Europaparlamentswahlen war die IU noch auf 3,7% abgesackt. Jetzt könnte dank der IU die Extremadura als einzige Region in der Hand der spanischen Linksparteien bleiben, weil die IU wieder mit drei Vertretern ins Regionalparlament einzieht. Eine Koalition mit PSOE – IU hätte die knappe Mehrheit von einer Stimme. Aber die IU lacht nur auf einem Auge. Für sie ist es hart, dass sie in ihrer Hochburg, der andalusischen Stadt Cordoba, die Macht verloren hat. Die Ex-Bürgermeisterin Rosa Aguilar ist zur PSOE übergelaufen und sitzt jetzt als Umweltministerin im Kabinett der Regierung Zapatero. So wird Cordoba, wie alle Großstädte in Andalusien, nun von der PP regiert. Wäre auch das Regionalparlament gewählt worden, hätte die PSOE auch diese Hochburg abgegeben müssen.

Im Baskenland haben die Wähler allerdings erwartungsgemäß für einen Linksruck gesorgt. Nachdem das spanische Verfassungsgericht das Verbot der Linkskoalition Bildu (Sammeln) gekippt hat, wurde die Formation auf Anhieb zweitstärkste Kraft. Insgesamt haben, mit der Provinz Navarra (13,1%), 22 % der baskischen Bevölkerung die Koalition gewählt. Erstmals seit 2003 gibt es wieder Wahlergebnisse, die nicht durch Verbote verzerrt sind. In der Formation bündeln sich die Wähler der linken Unabhängigkeitsbewegung, die traditionell die verbotene Partei Batasuna (Einheit) gewählt hat, mit der sozialdemokratische Solidaritätspartei (EA) und Alternatiba, eine Abspaltung der baskischen IU.

In der Provinz Gipuzkoa wurde sie mit 35% der Stimmen mit Abstand stärkste Kraft, auch im bekannten Seebad Donostia - San Sebastian. Sie wurde für ihren dauernden Friedenseinsatz belohnt. Sie hat der Gewalt der Untergrundorganisation ETA eine Absage erteilt und sie zur "überprüfbaren" Waffenruhe gezwungen. Zur großen Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) fehlen ihr in den drei Provinzen der Baskischen Gemeinschaft (CAV) nur noch knapp 18.000 Stimmen. PP und PSOE, die als spanische Front wegen der Verbote die CAV seit zwei Jahren regieren, wurden schwer abgestraft. Beide Parteien der spanischen Front verloren deutlich Stimmen. Im Baskenland müssten sofort Neuwahlen ausgerufen werden, weil der erste unverzerrte Wahlgang mehr als klar gezeigt hat, dass die Basken diese Regierung nicht wollen.

Obwohl die PP in Spanien gewonnen hat, dürfte sie sich Sorgen vor den Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr machen. Trotz der neuen schweren Niederlage will Zapatero keine vorgezogenen Neuwahlen ausrufen. Für die PP haben zwar fast 38% der Bevölkerung gestimmt, doch bei den Europaparlamentswahlen waren es noch gut 43%. Hier zeigt sich klar der Einfluss der Proteste der Demokratiebewegung, die dafür geworben hat, die Stimmen kleinen Parteien zu geben, die sich bis im Frühjahr konsolidieren können. Vielleicht wird Zapatero auch von der Straße nun zur Wahlrechtsreform gezwungen, damit sie im Frühjahr nicht erneut benachteiligt werden. Die Zahl der ungültigen Stimmen ging ebenfalls von 3.1% auf 4,23% hoch, wobei die Wahlbeteiligung mit 66,23% höher war als die 64% vor vier Jahren.