In Bayern tobt der Kampf ums Rauchverbot

Das Volksbegehren zu einem strikten Rauchverbot ist angelaufen, Raucherorganisationen sehen die deutsche Kultur am Ende, weil nun die - rauchenden - Stammtische zerschlagen werden.

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Heute startet in Bayern das Volksbegehren für die Wiedereinführung eines schärferen Rauchverbots. Die CSU hatte bekanntlich zunächst vor den Landtagswahlen 2008 ein strengeres Rauchverbot als in den anderen Bundesländern eingeführt und lobte sich dafür. Schon bei Bekanntwerden liefen viele Sturm, die CSU wurde vermutlich auch deswegen abgestraft, verlor die absolute Mehrheit und weichte sodann mit Unterstützung der FDP ihr eigenes Gesetz wieder auf. Man will ja liberal sein.

Daraufhin wurde, ausgehend von der ÖDP, das Volksbegehren Nichtraucherschutz gestartet. Zwei Wochen sind nun Zeit, um sich in die Listen einzutragen. Das Volksbegehren ist erfolgreich, wenn mindestens 10 Prozent der Wahlberechtigten es befürworten. Dann muss der Gesetzesvorschlag im Parlament behandelt werden. Wird er abgelehnt, kommt es zum Volksentscheid. Gefordert werden in dem Gesetzesentwurf "rauchfreie Gaststätten, rauchfreie Bars und Kneipen, rauchfreie Diskotheken und rauchfreie Festzelte" – und das "ohne Ausnahmeregelungen".

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Das Volksbegehren wird von einem breiten Bündnis unterstützt. Neben ÖDP, Bündnis 90/Die Grünen und SPD setzen sich auch einige CSU- und FDP-Politiker dafür ein. Dazu kommen Ärztlicher Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit e.V., Pro Rauchfrei e.V., Nichtraucher-Initiative München e.V., der Bayerische Leichtathletikverband, der Bund Naturschutz in Bayern e.V, der Landesverband der NaturFreunde Bayern e.V. und der Gesundheitsladen München e.V. sowie zahlreiche Ärzteverbände und Gesundheitsorganisationen wie Bayerischer Apothekerverband, Bayerischer Hausärzteverband, Bayerische Landesärztekammer, Bayerischer Landesverband der Pneumologen, Bayerischer Sportärzteverband, Bayerische Krebsgesellschaft, Deutsche Atemwegsliga, Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Atmungsmedizin, Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, Deutsche Herzstiftung etc.

Es gibt aber auch das Bündnis rauchfreie Gastronomie, in dem sich angeblich über 1000 Gaststätten, Bars, Kneipen und Diskotheken zusammengeschlossen haben. Und natürlich gibt es erbitterte Gegner, die sich auch organisiert haben, etwa das "Netzwerk Rauchen - Forces Germany", wie man sich so schön nennt. Man kritisierte bereits die Reliberalisierung des bayerischen "Gesundheitsschutzgesetzes" als zu eng. Es würde doch auch reichen, Raucherstätten zu kennzeichnen, um Nichtraucher zu warnen, oder ansonsten auf Technik zu setzen, die Luft trotz Rauchen sauber hält. Ansonsten ist man für das "Motto der bayerischen Lebensart 'Leben und leben lassen'", was allerdings im Hinblick auf das Rauchen in geschlossenen Räumen etwas deplatziert wirkt.

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Nun müssen die Kräfte aktiviert werden, um das Volksbegehren zum Scheitern zu bringen. Im Bündnis rauchfreie Gastronomie sieht man einen guten Angriffspunkt. Das Bündnis wurde nämlich von dem Gastwirt Reinhard Weniger aus Straubing gegründet, der einst CSU-Politiker war, 1998 aber für die DVU zur Bundestagswahl kandidierte. Als weiterer Stein des Anstoßes gilt den Pro-Rauchern Prof. Dr. med. Friedrich J. Wiebel, Vorsitzender des Ärztlichen Arbeitskreises Rauchen und Gesundheit und Toxikologe am GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit. Während der eine bei den Rechtsextremen angesiedelt ist, was politisch tatsächlich problematisch für die Initiative ist, soll der Professor der Pharmaindustrie nahestehen, weswegen er irgendwie verdächtig sein soll. In einer Pressemiteilung heißt es:

"Der Schulterschluss mit den Braunen und der Pharmaindustrie zeigt, dass diese Parteien keine Hemmungen haben, wenn es um die Bekämpfung der Raucher geht“, so Michael Löb, Bundesvorsitzender des Netzwerks. …Der Verein weist darauf hin, dass Pfizer und andere große Pharmakonzerne, die Hersteller von Nikotinkaugummis, -pflastern und Psychopharmaka, seit Jahrzehnten mit Millionengeldern die Bekämpfung des Rauchens unterstützen. "Nichtraucherschützer" Wiebel ist Vorsitzender eines Arbeitskreises, der jährlich einen von der Firma Pfizer gestifteten "Forschungspreis Rauchfrei Leben" auslobt. Seine Pharmakontakte könnten die auffällig hohen Geldspenden erklären, die die bayerische ödp von sog. Nichtraucherverbänden erhalten hat."

Das "Netzwerk" kritisiert diese Finanzierung, aber auch den Versuch, wie man so schön sagt, der "Prohibition eines privaten Lebensstils". Weitere Ergüsse der Nikotinliebhaber, die auch der Fraktion der Verschwörungstheoretiker zugehören, finden sich auf der Website Neues vom Schelm. Man beschwert sich jedenfalls über die "Zerschlagung der Stammtische", die als Inbegriff der Kultur verstanden werden: "Was da unter dem Fähnlein des "Nichtraucherschutzes" angeritten kommt, ist ein gezielter Angriff auf die gewachsene Kultur. ... Zu den typischen Lebensformen gehört in Deutschland die Gemütlichkeit. Und deren Inbegriff ist für viele die Feierabendkneipe, und da wird typischerweise geraucht. Das soll nun plötzlich so gefährlich sein und muss deshalb verboten werden?"

Das ist sehr problematisch, schließlich ist Innovation und politischer Aufbruch seit 500 Jahren, so wollen es die Forces der Raucher, an den qualmenden Stammtischen entstanden: "Die Vorhaben der Moderne sind ausnahmslos an rauchenden Stammtischen beschlossen worden, ob es Vereine, Parteien oder Bürgerinitiativen waren, alle haben dort ihren Ursprung."