Wer einen niedrigen IQ hat, stirbt früher

Nach einer britischen Studie steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit einem sinkenden IQ

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Nicht nur beim Reichtum, sondern auch bei Intelligenz scheint der Matthäus-Effekt (Wer hat, dem wird gegeben) zuzutreffen. Bekannt ist bereits, dass Menschen, die bei IQ-Tests schlechter abschneiden, auch ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben und früher sterben. Wer "dumm" ist, hat also Pech. In einer Studie wurde dies auch bei Menschen festgestellt, deren Reaktionszeit für Entscheidungen langsamer ist, was als Zeichen einer geringeren Intelligenz gewertet wurde ( Intelligente Menschen haben höhere Lebenserwartung).

Britische Wissenschaftler wollen nun jedenfalls den Zusammenhang zwischen einem niedrigen Intelligenzquotienten und erhöhtem Krankheitsrisiko sowie einer früheren Sterbewahrscheinlichkeit auch unter Berücksichtung anderer Risiken wie Fettleibigkeit, Rauchen und erhöhtem Blutdruck bestätigt haben. Für ihre vom Medical Research Council geförderte Studie, die im European Journal of Cardiovascular Prevention and Rehabilitation erscheint, wurde die Daten einer Langzeitstudie ausgewertet. Dafür wurden von 1987 an für 20 Jahre 1145 Frauen und Männern mit einem Alter von über 55 Jahren beobachtet. Erfasst wurden u.a. Größe, Gewicht, Blutdruck, körperliche Betätigung, Ausbildung und Beruf sowie der IQ durch einen standardisierten Test für allgemeine Intelligenz.

Bei der Auswertung nach neun Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen stellte sich zwar heraus, dass Rauchen deutlich am gefährlichsten ist, an zweiter Stelle folgte aber bereits eine niedrige Intelligenz. An dritter Stelle rangiert geringes Einkommen, an vierter Bluthochdruck und an fünfter geringe körperliche Aktivität.

Raten kann man freilich nur, wenn die Daten tatsächlich diesen Zusammenhang belegen, warum niedrige Intelligenz letztlich zu einem erhöhten Krankheitsrisiko führt. Möglicherweise, so sinnieren die Wissenschaftler, fehlt den Dümmeren die Intelligenz, sich gesund zu verhalten, also nicht zu rauchen oder sich ausreichend körperlich zu betätigen, was dazu führt, dass sie eher dick werden und einen hohen Blutdruck haben. Umgekehrt wird man aber wohl nicht sagen können, dass alle oder die meisten Raucher und/oder körperlich Faulen einen niedrigen Intelligenzquotienten haben, sie verdrängen vielleicht nur das Risiko. Eine andere Variante wäre, dass sich im IQ Umweltbeeinträchtigungen wie Krankheiten oder schlechte Ernährung niederschlagen, spekulieren die Wissenschaftler.

David Batty, der leitende Wissenschaftler der Studie, der am Centre for Cognitive Ageing and Cognitive Epidemiology der University of Edinburgh arbeitet und schon früher über den Zusammenhang zwischen IQ und Krankheit geforscht hat, meint, es könnte doch gut sein, den IQ aus gesundheitlichen Gründen etwa durch frühkindliches Lernen oder schulische Förderprogramme anzuheben. Überdies wisse man schon lange, dass Klassenzugehörigkeit mit der Gesundheit zusammenhängt. Das habe man bislang auf den Zugang zu Ressourcen (Einkommen, Bildung), Einflüsse auf den Körper Zuhause und in der Arbeit (Wohnsituation, Gifte) und unterschiedliche Lebensgewohnheiten (Rauchen, Ernährung) zurückgeführt. Das würde aber die Unterschiede zwischen den sozialen Schichten nicht erklären können, meint Batty. Daher könne der in der Studie festgestellte Zusammenhang mit einer niedrigeren Intelligenz eine weitere, unabhängige Ursache sein.

So ausgedrückt rutscht das schnell ins Zynische oder in die Zementierung gesellschaftlicher Ungleichheit ab, was ja auch dem Matthäus-Effekt immanent ist. Wer weniger intelligent auf die Welt kommt, scheint dann eher in den unteren Schichten zu leben, weniger zu verdienen, kränker zu sein und früher zu sterben. Wäre dann nur die Frage, ob die Menschen daran selbst schuld sind oder die einen halt das bessere und die anderen das schlechtere Los gezogen haben. Batty scheint ja dazu zu neigen, dass eine niedrigere Intelligenz bei den älteren Menschen, die Gegenstand der Studie waren, auch ein Niederschlag der Lebensweise und -umstände sein könnte, wodurch sich Verdienst und Schicksal vermischen. Als Angehöriger der höheren Bildungs- und Einkommensschichten könnte Dr. Batty auch einen höheren IQ haben. Allerdings ist Batty ja durchaus politisch korrekt und schlägt die Erhöhung des Lebensstandards für die unteren sozialen Schichten und eine frühkindliche Förderung des Geistes vor.