Wohin geht Japan

Bürger wollen keine Atomkraft, aber die Regierung könnte in den nächsten Wochen die Wiederinbetriebnahme einiger Reaktoren formal beantragen. Fotovoltaik beginnt zu boomen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die japanische Regierung möchte gerne einige der derzeit stillstehenden Atommeiler wieder in Betrieb nehmen, aber die Bevölkerung ist mehrheitlich wenig begeistert. Eine Meinungsumfrage, von der die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, ergab letzte Woche, dass 80 Prozent der Befragten den Sicherheitsmaßnahmen der Regierung nicht trauen und 57 Prozent die Wiederinbetriebnahme ablehnen.

Im auffallenden Kontrast dazu steht ein Bericht der Tokyo Times, wonach eine zweite Umfrage zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen ist. Demnach sind nur 28 Prozent der Interviewten gänzlich gegen das Wiederanfahren. Allerdings wird auch diese Umfrage unterschiedlich interpretiert. Die Webseite Asian-Power.com, ein Fachinformationsdienst, liest aus der zweiten Umfrage vor allem heraus, dass 80 Prozent der Japaner für einen Ausstieg aus der Atomkraft seien und nur 16 Prozent dagegen. Aber 53 Prozent würden akzeptieren, wenn einige AKWs zur Abdeckung der Stromnachfrage für eine gewisse Zeit wieder ans Netz gingen.

Wie dem auch sei, der weitere Ausbau der japanischen Atomindustrie scheint vollends vom Tisch und die Regierung hat angekündigt, sie werde AKWs nur mit Zustimmung der örtlichen Behörden wieder in Betrieb nehmen. Ein bisschen liest sich das allerdings, als wolle die Regierung, die auf Inbetriebnahme drängt, den Bürgermeistern und Gouverneuren den Schwarzen Peter zuschieben. Dass zwischenzeitlich bekannt wurde, dass die japanischen Katastrophenfallpläne vollkommen unzureichend sind, macht die Sache auch nicht gerade besser.

Zumindest in der Nachbarschaft von Fukushima sind die Bürgermeister zu Atomkraftgegnern geworden. Eine Umfrage der Zeitung The Mainichi Daily ergab, das 60 Prozent der Verwaltungschefs in 42 Städten der Präfekturen Iwate, Miyagi und Fukushima, also den drei durch den Tsunami des Erdbebens vom 11. März 2011 getroffenen Gebieten, für die Abschaltung aller AKW plädieren. In den letzten Monaten habe die ablehnende Haltung unter den Bürgermeistern sogar noch zugenommen.

Yuhei Sato, der Gouverneur der Präfektur Fukushima, hofft derweil, in den zerstörten Gebieten eine neue Industrie aufbauen zu können, die ganz auf erneuerbare Energieträger setzt. Und die Bürger nehmen den Atomausstieg in die eigenen Hände. Hausbesitzer kaufen verstärkt Solaranlagen. In den ersten drei Quartalen 2011 ist der Inlandsverkauf kontinuierlich angestiegen und erreichte rund ein Gigawatt, wie Zahlen der Japanese Photovoltaic Energy Association zeigen. 86 Prozent davon wurde als Kleinanlagen auf Wohnhäuser geschraubt. Die Statistik des Verbandes zeigt aber auch, dass bereits 2009 ein starker Aufwärtstrend eingesetzt hatte. Auch in Japan scheint das Solarzeitalter angebrochen zu sein, bisher ohne viel öffentliche Unterstützung. Wie berichtet, hat es aber in der Regierung ein gewisses Umdenken gegeben. Am 1. Juli tritt auch in Nippon ein Einspeisegesetz in Kraft.