Hart wie Kruppstahl und dumm wie Hitler

Mondbasis Adolf Zwei: Timo Vuorensola legt die grotesken Seiten des Schreckens bloß

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Wir schreiben das Jahr 2018, die Menschheit bewegt sich weiter im unaufhaltsamen Fortschritt: Die rechtslastige Tea-Party-Sympathisantin Sarah Palin ist inzwischen US-Präsidentin und führt - "Yes she can!" - mittels Fernsehsender TTN ("Total Truth Network") Wahlkampf für ihre Wiederwahl.

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Alle Bilder: http://www.ironsky.net

Ein Raumschiff ist auf der Leinwand zu sehen, der Song "Take me to heaven" erklingt, dann Heimatfilm-Musik, denn auf des dunklen Seite des Mondes ist die Welt noch ganz anders in Ordnung: Kurz darauf sieht man Astronauten mit sonderbar altmodischen Sauerstoffmasken und einem Raumhelm, der die Form eines Wehrmachtsstahlhelms hat - und tatsächlich: "Schwarze Sonne" heißt die Raumstation im Hakenkreuzgrundriss, auf die, so die Prämisse des Films, seit 1945 eine Gruppe von Nazis mittels "Reichsflugscheiben" zurückgezogen und versteckt hinterm Mond friedlich überlebt hat...

"Wenn das der Führer wüsste!"

Und so geht es weiter: Ein Führer namens Kortzfleisch regiert "Das Vierte Reich", das von deutschen Jungs mit kurzen Haaren und blonden langhaarigen Mädels in Uniformen bevölkert ist. Diese Nazi-Urenkel heißen Siegfried und Brunhilde, sie brüllen "Heil Kortzfleisch!", reißen den rechten Arm reflexhaft in die Höhe, machen auch sonst zackige Bewegungen: Man hört lautes "Achtung!" und "Jawoll!!"-Schreien, die Nationalhymne ist "Lieb' Vaterland, magst ruhig sein", die Raumschiffe sind Riesenzeppeline, sie heißen "Götterdämmerung", "Siegfried" und "Heinrich", die ganze Welt ist hart wie Kruppstahl und unbedingt analog: Auch die Space-Nazis haben Computer, die sind aber auf dem Stand der frühen 1950er Jahre stehengeblieben.

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Als der schwarze US-Astronaut James Washington(Christopher Kirby) mit seinem iPhone vor dem lauten, dampfenden, wohnzimmergroßen Teil fassungslos fragt: "Was ist denn das?", lautet die Antwort daher ganz folgerichtig: "Das ist ein Computer, dummer Neger!"

Dann wird er - "Whats wrong with your skin?" - von einem irren Wissenschaftler albinisiert. Er soll mitkämpfen und zur Wunderwaffe werden in der Schlacht um den galaktischen Endsieg. Denn die Mondnazis wollen der Welt den Frieden bringen, das erklärt schon das blonde deutsche Idealmädel Renate Richter (Julia Dietze, die so spielt, wie sie aussieht) als Lehrerin den kleinen Pimpfen und Pimpfinnen: Der Nationalsozialismus ist ach so friedliebend.

Darum reisen der potentielle nächste "Commander of the Fourth Reich" und ehrgeizige "Nachrichtenübermittlungsoberführer" Klaus Adler (Götz Otto), Washington und Renate (die auch noch Adlers Geliebte ist) als blinde Passagierin in geheimer Mission zur Erde, um sich dort mit Energie zu versorgen.

Nazis im Weltraum - was auf den ersten Blick fast geschmacklos und jedenfalls höchst merkwürdig anmutet, ist eine groteske, schrille, sehr sehr kurzweilige Parodie. Ihren Titel "Iron Sky" muss man unbedingt doppelsinnig verstehen: Wörtlich übersetzt als "Eiserner Himmel" und damit Ausdruck der martialischen, analogen Welt des Faschismus, aber doch genauso auch als Verweis auf die grundsätzlich ironische Haltung der Filmemacher. Aber ist das witzig? Kann man und darf man über Nazis lachen? Man kann und darf. Quentin Tarantino hat das in "Inglourious Basterds" für unsere Gegenwart vorgemacht, Lubitsch und Chaplin muss man da gar nicht erwähnen. Dieses Niveau erreicht der finnische Regisseur Timo Vuorensola mit seinem Film zwar nicht. Das wäre aber auch sehr viel verlangt.

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Aber ähnlich wie diese großen Vorbilder versucht auch er, dem Albtraum von Faschismus und Vernichtungsphantasie mit Übertreibung und Humor beizukommen. Und auch ihm gelingt das Unterfangen. Wer hier angemessene Betroffenheit vermisst, dem kann man nicht widersprechen, doch dieses Fehlen wird dadurch wettgemacht, dass in "Iron Sky" die grotesken Seiten des Schreckens bloßgestellt werden, die NS-Gläubigen als Witzfiguren entlarvt.

Nazis machen Wahlkampf für Sarah Palin

Hervorragend ist auch der Musikgebrauch des Films: Fast permanent läuft Musik von Richard Wagner, wenn auch munter verfälscht: Selbst der Rap-Song im Film hat eine Wagner-Melodie. "There is no such thing as originality", sagt dazu der Regisseur. Der Rest ist "Laibach". Insofern bewegt sich der Film in den Fußstapfen des Rahmen des populären Faschismus-Verständnisses. Erst am Schluss geht ihm dann etwas die Luft aus. Man kann überdies auch sofort zugeben: Aus der Tagline des Films - "1945 flogen die Nazis zum Mond, 2018 kommen sie zurück" - hätte sich mehr machen lassen.

Sehr sehr lustig sind dafür aber immer noch jene Szenen, in denen Sarah Palin im UNO-Sicherheitsrat auftritt, und diesen nach der Weltraumattake - "The Moon Nazis are coming" - für den Gegenschlag gewinnen will. Da sagen zum Beispiel die meisten Dritte-Welt-Vertreter so etwas wie "Nazis greifen aus dem Weltraum an....auf einen blöderen Einfall konntet ihr Amerikaner wohl nicht kommen." Da steht plötzlich der Botschafter von Nordkorea auf und übernimmt die volle Verantwortung: "Die Angreifer waren wir!" - und der Sicherheitsrat lacht zum zweiten Mal. Dann wird entdeckt, dass der Vertreter Indiens einen Hakenkreuz-Ring trägt und er wird als Nazi-Spion verdächtigt, und dann sagt er das, was Inder immer sagen, wenn die Rede aufs Hakenkreuz kommt: "Non no no - this is a Symbol of peace!"

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Doch insgesamt gelingt Vuorensola, der eine gute Million Eure seines vergleichsweise minimalen Budgets in Gesamthöhe von etwa 7,5 Millionen Euro per Internet-"Crowdfunding" zusammenkratzte, eine furiose postmoderne Nazi-Persiflage mit einer intergalaktischen Zeppelin-Endzeit-Schlacht und bissigen Seitenhieben auf die Gegenwart der USA: Denn es ist klar, was in diesem Film auch kommen muss: Die Nazis landen irgendwann auf der Erde und verkünden dort: "We are the answer to the question". Dann machen sie schnell Wahlkampf für Sarah Palin! Yes, they can! "Don’t you believe me? Watch the news. News don't lie!"