Krise? Wo?

Asiens Volkswirtschaften wachsen weiter kräftig und verringern den Abstand zu den alten Metropolen

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Während hierzulande die gegenwärtigen massiven ökonomischen Probleme meist als Weltwirtschaftskrise wahrgenommen werden, zeigt ein weiterer Blick auf den ganzen Planeten eine sehr ungleichmäßige Entwicklung. Der Internationale Währungsfonds hat zwar diese Woche seine Prognosen für die Weltwirtschaft nach unten korrigiert - statt von vier Prozent Wachstum in 2012 ist nun noch von 3,3 Prozent die Rede. Doch dabei handelt es sich natürlich nur um einen Mittelwert, und dieser wird vor allem durch die düsteren Aussichten Europas nach unten gedrückt. Der IWF bezeichnet den Kontinent als das "Epizentrum" der Krise.

Ganz anders sieht es hingegen in Ost- und Südostasien aus. Der Chef der Asiatischen Entwicklungsbank ADB, Haruhiko Kuroda, ging am Mittwoch in einem Interview davon aus, dass in diesem Jahr die asiatischen Ökonomien - mit Ausnahme Japans - um sieben Prozent wachsen werden. 2011 hatte das Wachstum 7,5 Prozent und 2010 neun Prozent betragen. Die Binnennachfrage sei nach wie vor robust. Die Führung werde auch 2012 China mit einem Wachstum von über acht Prozent übernehmen. Für Indien rechnet der Banker mit einem Plus von sieben bis acht Prozent und für Indonesien mit 6,5 Prozent.

Dennoch sind die Volkswirtschaften natürlich nicht immun gegen die Krise in Europa. Diese mache sich zum einen dadurch bemerkbar, dass es schwieriger geworden sei, sich in Europa Kapital zu leihen. Zum anderen ist die EU für China zum Beispiel der größte Exportmarkt, das heißt, wenn sich hierzulande die Krise verschlimmert, haben chinesische Firmen Schwierigkeiten, ihre Ware abzusetzen. Er hoffe daher sehr, so wird Kuroda zitiert, dass sich die Lage in Europa nicht verschlimmere.

Besondere Probleme sieht die ADB vor allem für Pakistan, dessen Wirtschaft 2010 von biblischen Überschwemmungen verheert wurde und darüber hinaus unter hohen Auslandsschulden leidet. Afghanistan sei hingegen in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt um neun Prozent gewachsen, was allerdings vor allem ein Ergebnis des Zuflusses ausländischer Entwicklungshilfe gewesen sei. Auch nach dem Abzug der Truppen seien diese Zahlungen weiter wichtig, soll heißen, das Land wird noch lange am Tropf hängen.

Von diesen beiden asiatischen Problemfällen abgesehen, sind aber die meisten Entwicklungs- und Schwellenländer der Region dabei, den Abstand zu den Industriestaaten rasch zu verkleinern, auch wenn meist noch ein langer Weg zurück zu legen sein wird. Einige, wie Singapur, Taiwan oder Südkorea, haben allerdings schon ein Wohlstandsniveau erreicht, das mit dem eines mittleren EU-Mitglieds vergleichbar ist.