Taliban und al-Qaida entdecken Deutschland

Deutschland wird überzogen von Videos, die Soldaten in Afghanistan sollen stärker bekämpft werden.

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In Afghanistan werden, um den Schein zu wahren, einige Stimmen nachgezählt. Die Zahl der getöteten Soldaten steigt inzwischen weiter an. Nach acht Jahren Afghanistankrieg wurde 2009 für die mehr als hunderttausend US- und ISAF-Soldaten bislang zum tödlichsten Jahr. Schon 371 Soldaten sind bislang gefallen – wie viele Afghanen umgekommen sind, weiß niemand. Der Oberkommandierende Stanley McChrystal fordert wesentlich mehr Truppen und warnt, dass sonst der Krieg verloren gehe. Noch mehr Soldaten wird aber wohl kaum eine Regierung nach Afghanistan schicken, die Unterstützung für den Krieg sinkt überall, auch in den USA.

Besonders unbeliebt ist der Afghanistan-Krieg in Deutschland. Seitens der Regierung würde er am liebsten zur Verschleierung gar nicht so genannt werden, sondern verschwiemelt etwa von einem Stabilisierungseinsatz, stabilisiert wird nun womöglich Präsident Karsai und seine korrupte Regierung, wenn die Wahlüberprüfungen seinen Sieg bestätigen sollten. Das hat nun die Aufmerksamkeit nicht nur von dem al-Qaida zugerechneten, aus Deutschland stammenden Bekkay Harrach geweckt, der die Deutschen und die Muslime in Deutschland mit drei Videos hintereinander traktierte, sondern womöglich auch von al-Qaida-Chef bin Laden.

Von bin Laden kam freilich nur eine Audiodatei, die in einem Video mit Standbild eingebunden und erstmals mit deutschen Untertiteln – wofür hat man einen Harrach? – versehen, vielleicht von Osama stammt – sofern er tatsächlich noch lebt. Osama, sollte er es wirklich sein, versucht, die Anschläge in Madrid und London dadurch zu rechtfertigen, dass die US-Soldaten Zivilisten etwa durch Bombardierungen von Dörfern töten. Von wann die Aufnahme stammt, ist unklar. Auf die Finanzkrise wird Bezug genommen, auch darauf, dass Deutschland nicht mehr Exportweltmeister ist. Eine unmittelbare Drohung gegen Deutschland gibt es nicht, gefordert wird allgemein von den europäischen Völkern der Abzug von ausländischen Truppen aus Afghanistan und Vergeltung für Europa, falls es sich weiter an die USA bindet.

Trotzdem nehme das Bundesinnenministerium die Botschaft sehr ernst, sagte ein Sprecher. Das passt ja auch gut zur Wunschliste an erweiterten Kompetenzen, die vom Ministerium geäußert wurden. Ein wenig Terrordrohung kann da nicht schaden.

Harrach hatte wenig Islamisten-mäßig in Schlips und Anzug nach der Wahl mit einem "bösen Erwachen" gedroht, sollte sich die Afghanistan-Politik nicht ändern. In den anderen Videos warb er für den Dschihad. Von einer "massiven Propaganda" von al-Qaida kann eigentlich nicht sprechen, die Drohungen dürften auch nicht ernst zu nehmen sein. Mitteilen kann man viel.

Weil schon diese Videos Erfolg hatten, mischen sich nun auch die Taliban ein. Die deutschen Taliban in Afghanistan warnen in einem auch in YouTube verbreiteten Video mit dem Titel "Der Ruf der Wahrheit" vor Anschlägen in Deutschland und zeigen Bilder vom Brandenburger Tor, der Skyline von Frankfurt, dem Kölner Dom, vom Oktoberfest und dem Hamburger Hauptbahnhof, um diese als mögliche Anschlagsziele zu suggerieren. Der deutschsprachige Sprecher ist noch nicht identifiziert.

Wahlen sind in Demokratien für Terroristen gute Zeiten, Sicherheitskräfte, Regierungen und Politiker mit Drohungen unter Druck zu setzen. Dabei wird gerne auf Madrid verwiesen, doch hier stürzte die konservative Regierung, nachdem sie die kurz vor der Wahl erfolgten Anschläge erst einmal der ETA zuschieben wollte, aber auch, weil sie Bush und den Irak-Krieg unterstützte, während ein Großteil der Spanier dagegen protestierte.

Interessanter und bedrohlicher dürfte allerdings sein, was der Telegraph berichtet. Die Taliban hätten nämlich eine Front in Nordafghanistan aufgezogen, um vermehrt die deutschen Soldaten anzugreifen. Angeblich hätten deutsche Informanten gesagt, Mullah Mohammad Omar habe vermehrt Angriffe befohlen. Die deutschen Soldaten würden aufgrund mangelnder Unterstützung aus Deutschland als schwaches Glied gelten. Besonders im Visier würden vor der Wahl die Soldaten in Kunduz stehen.

Ein deutscher Offizier soll gesagt haben, dass die Situation instabil und unsicher geworden sei. Ein US-Offizier beschrieb die Situation in Kunduz als "wirklich schlecht". Es wird davon gesprochen, dass die Operationen der Briten und Amerikaner in Helmand Aufständische in den Norden vertrieben habe. Die Taliban könnten aber auch junge Männer rekrutieren, die aus den Flüchtlingslagern in Pakistan zurückgekehrt seien, aber keine Arbeit haben. Dazu sollen Kämpfer kommen, die aus Tschetschenien oder aus arabischen Ländern stammen.

Steigen die Angriffe auf deutsche Soldaten an, gibt mehr Tote und Verletzte, so lässt sich davon ausgehen, dass der Druck auf die neue Regierung wachsen wird, die Truppen möglichst schnell abzuziehen. Das hat nur bedingt mit der Wahl zu tun. Afghanistan ist bislang nicht wirklich ein Thema, der Hindukusch weit entfernt.