Neuer Zusammenschluss rechtsextremer Parteien in der EU

Das Bündnis aus fünf Parteien hat mit der FPÖ und der British National Party (BNP) weitere Kandidaten im Auge.

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Am vergangenen Wochenende wurde in Budapest ein neuer Zusammenschluss rechtsextremer Parteien auf EU-Ebene der Öffentlichkeit vorgestellt. Er hört im Französischen - zwei der derzeit fünf beteiligten Parteien sind französischsprachig - auf den Namen Alliance des mouvements nationaux européens. Dies ergibt im Deutschen "Verband" oder "Bündnis der europäischen nationalen Bewegungen".

Die neue Allianz, so erklärte der stellvertretende Vorsitzende der ungarischen rechtsextremen Partei Jobbik ("Die Bessere") und Europaparlamentarier Zoltan Balczo gegenüber der Presse, solle alsbald in Brüssel oder Straßburg ordnungsgemäß als neue EU-weite Partei registriert werden. Ihr Gegenstand sei es u.a., "Europa gegen den religiösen, politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Imperialismus zu schützen" - wie es in einer Neun-Punkte-Erklärung heißt, die von den in Budapest versammelten Parteien angenommen wurde. Die supranationalen Strukturen der EU in ihrer heutigen Form werden abgelehnt, ebenso der "Globalismus".

Jobbik

Auswahl von Ort und Datum blieben mitnichten dem Zufall überlassen. Eine der Hauptkräfte in der neuen Allianz ist die ungarische nationalistisch-antisemitische Partei Jobbik, weshalb die Wahl leicht auf Budapest fiel. Und das Datum Ende Oktober fällt in die Periode, in der alljährlich das Gedanken an den Aufstand von Ende Oktober 1956 gegen die damalige sowjetische Besatzungsmacht gefeiert wird. Der französische rechtsextreme Politiker Jean-Marie Le Pen hatte sich vor diesem Hintergrund schon am 26./27. Oktober 1996 in Budapest aufgehalten und auf einer Großkundgebung gesprochen, am 23. Oktober 2003 trat er nochmals dort auf. Einlader war damals allerdings die ungarische "Partei der Wahrheit und des Lebens" (MIEP) des antisemitischen Schriftstellers Istvan Csurka. Letztere ist inzwischen in der Bedeutungslosigkeit versunken, während die - 2003/04 zum Teil aus einer Abspaltung von der MIEP entstandene - Bewegung Jobbik in den Mittelpunkt rückte.

Letztere, die bei den Europaparlamentswahlen im Juni 2009 in Ungarn 14,77 % der Stimmen und drei Sitze erhielt, zählt derzeit zu den mit Abstand dynamischsten rechtsextremen Parteien in Europa. Ihre paramilitärische "Ungarische Garde" wurde hingegen offiziell verboten.

Front National

Neben dem französischen Front National (FN), für den der Europaparlaments-Abgeordnete und Vizepräsident Bruno Gollnisch nach Budapest anreiste, ist Jobbik die tragende Hauptkraft der neuen Allianz. Beide Parteien nähern sich auch dadurch einander an, dass sie in außenpolitischen Fragen heute eine eher antiwestlich-antisemitisch geprägte Linie vertreten. Dies unterscheidet sie von eher proamerikanisch und pro-israelisch orientierten Rechtsparteien, wie der erfolgreichen niederländischen Freiheitspartei (PVV) des Moslemshassers Geert Wilders. In Deutschland entspräche erstere Position eher vergröbert jener der NPD, letztere jener der auf regionaler Ebene erfolgreichen Rechtspopulisten von "Pro Köln", die vorwiegend die Agitation gegen "den Islam" in den Vordergrund rückt. In konservativ-liberalen bis in rechtskonservative Kreise hinein ist die erstgenannte Position weitaus weniger "bündnisfähig".

Fiamma tricolore und Nationaldemokraterna

Die übrigen drei Parteien, die der frisch gegründeten Allianz derzeit angehören, sind eher schwächere Parteien und kleinere Abspaltungen von einflussreicheren Rechtskräften. Dies gilt für die italienische Partei Fiamma tricolore (benannt nach der dreifarbigen italienischen Nationalflagge): Bei ihr handelt es sich um einen "traditionell" orientierten Überrest des früheren neofaschistischen MSI ("Italienische Sozialbewegung"), der die 1995 durch die Hauptpartei unter Gianfranco Fini vollzogene Umwandlung in eine rechtskonservative und "regierungsfähige" Partei unter dem Namen Allenza Nazionale nicht mit vollzog.

Auch die ebenfalls beteiligten schwedischen "Nationaldemokraten" (Nationaldemokraterna) sind von diesem Kaliber. Es handelt sich bei ihnen um eine extreme Abspaltung der "Schwedendemokraten" (SD, Sverigedemokraterna). Letztgenannte Rechtspopulisten sind derzeit recht erfolgreich, und es wird vermutet, dass sie bei den schwedischen Parlamentsjahren in knapp einem Jahr die dort geltende Vier-Prozent-Hürde überwinden dürften.

Bei den Wahlen 2006 waren sie noch mit 2,93 % an ihr gescheitert. Die extremen "Nationaldemokraten" ihrerseits wurden bislang von 0,1 % gewählt. Hingegen sind die SD in jüngster Zeit auf dem Weg, ihren Einfluss zu steigern: Vor wenigen Tagen veröffentlichte die auflagenstarke Tageszeitung Aftonbladet (Abendblatt) einen Gastbeitrag ihres Vorsitzenden Jimmie Akesson, in dem dieser offen gegen Moslems - "die größte ausländische Bedrohung Schwedens seit Ende des Zweiten Weltkriegs" - hetzen konnte. Seitdem tobt die Debatte darüber, ob es besser sei, die Rechten nicht zur Kenntnis zu nehmen, oder aber ob Ausgrenzung sie nur stärke und man sie deswegen zu Wort kommen lassen müsse.

Belgischer Front National

Die fünfte Partei im Bunde, der belgische Front National (FN) - der vor allem in der Wallonei, dem französischsprachigen südlichen Landesteil, verankert ist und dort Wahlergebnisse zwischen 4 und 8 Prozent erhielt - wurde 1985 nach dem Vorbild der gleichnamigen französischen Partei gegründet. In den letzten Jahre stellte der FN belge allerdings eher ein Sorgenkind für die Franzosen dar. Abspaltungen und Skandale etwa um Holocaustleugner erschütterten die Reputation der Partei. Noch im Vorfeld der diesjährigen Europaparlamentswahl stritten sich zwei Hälften gerichtlich um das Recht, den Parteinamen führen zu dürfen.

Weitere Kandidaten

Wie Jobbik-Vertreter am Samstag in Budapest vor der Presse erklärten, seien "Verhandlungen im Gange", um auch den Beitritt anderer Rechtskräfte zu der neuen rechtsextremen Allianz zu erzielen. Als Ansprechpartner nannten sie dabei besonders die British National Party (BNP), die österreichische FPÖ sowie "Parteien in Spanien und Portugal".

Die FPÖ unter Heinz-Christian Strache unterhält offiziell keinerlei Kontakte zur rechtsextremen Jobbik in ihrem Nachbarland Ungarn. Mutmaßlich geht man bislang davon aus, es würde die FPÖ, die selbst wiederholt zu Vorwürfen aufgrund von Antisemitismus Anlass gegeben hat, zu stark belasten.

Hingegen unterhält die britische BNP unter Nick Griffin im Europaparlament, wohin sie im Juni 2009 zum ersten Mal (mit 6,2 % der Stimmen) einzog, erklärtermaßen Kontakte auch zu Jobbik. Ihr Vorsitzender, Griffin, wurde am vergangenen Donnerstag, den 22. Oktober erstmals in eine Absendsendung der BBC eingeladen.

Die Sendung sorgte für einen veritablen Eklat, und antifaschistische Demonstranten drangen bis ins Foyer der Fernsehanstalt in London vor. Sie wurde jedoch auch zum bombastischen Publikumserfolg mit über acht Millionen Zuschauern (siehe auch die triumphale Berichterstattung darüber beim französischen Front National). Infolge dieses Auftritts ihres Vorsitzenden im BBC-Fernsehen schossen die Umfragewerte der rechtsextremen Partei in den folgenden Tagen nach oben: 22 % "prüfen" demnach "ernsthaft", ob sie künftig für die Partei stimmen wollen. Die 1982 gegründete BNP hat erst vor kurzem eine Bestimmung ihrer Statuten, wonach Nichtweißen der Zutritt ausdrücklich verboten war, aufgehoben.