"Technologische Souveränität" am PC

Kuba stellt sich auf die Migration zu einem eigenen Betriebssystem auf Linux-Basis ein.

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Am Anfang war es die Idee einiger Studenten an der Informatik-Universität (UCI) in Havanna. Inzwischen sprechen kubanische Regierungsstellen von einem Projekt der nationalen Sicherheit: In einer ersten Testphase werden Regierungs- und Verwaltungsstellen der Karibikinsel eine eigene Linux-Distribution verwenden. Mittelfristig sollen alle öffentlichen Stellen in Kuba das eigene Betriebssystem Nova-Linux verwenden. "Wir haben keine andere Möglichkeit, uns zu schützen, als über den Gebrauch freier Software“, sagt der Dekan der Universität, Alain Guerrero, im Interview mit der Zeitung Trabajadores. Und er fügt an: "Weil wir keinen Zugang zum Quellcode von Microsoft Windows haben, wissen wir nicht, was dieses System im Hintergrund anstellt.“

Die Entwicklung von Nova-Linux wurde nach Angaben der kubanischen Zeitung vor fünf Jahren von knapp einem Dutzend Studenten begonnen. "Mit dem Thema der Software-Migration wurde das Vorhaben ehrgeiziger", sagt Ángel Goñí Oramas, der 2005 zu den ersten Entwicklern gehörte. Inzwischen werden an der UCI neben Nova-Linux mehrere Projekte zur Förderung des Gebrauchs von freier Software durchgeführt. Ziel sei eine "technologische Souveränität", heißt es in dem Karibikstaat.

Tatsächlich werden die verantwortlichen Stellen in Kuba nicht von diffusen Ängsten vor Backdoor-Programmen angetrieben. Die Probleme sind konkret: Durch die Wirtschaftsblockade der USA kann kein PC auf der Insel legal mit der den Markt dominierenden Microsoft-Software ausgerüstet werden. Zwar werden nach wie vor Schwarzkopien von Microsoft-Programmen verwendet. Doch die Verwendung ist wenig praktikabel, weil Updates schwer zu beschaffen sind. Zudem ist das juristische Risiko groß.

Derzeit wird in Kuba eine Umfrage durchgeführt, um herauszufinden, welche Betriebssysteme die Behörden und Ministerien benutzen. Mit Beginn der ersten größeren Testphase von Nova-Linux soll nun ein landesweiter technischer Support aufgebaut werden. Weil die eigene Distribution Nova aber noch wenig ausgereift ist, arbeiten größere Netzwerke weiter mit dem Linux-System Debian. Es gehe bei dem gesamten Vorhaben darum, "uns ein Stück weiter an die technologische Souveränität anzunähern und dem Einfluss der großen transnationalen Konzerne zu entziehen", heißt es in dem Zeitungsbericht.