"Ich plädiere für die dienende Funktion der Banken in der Region"

Interview mit dem Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel, Autor des Buches "Zerschlagt die Banken"

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Der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel, Gründer des Instituts für Arbeit und Wirtschaft an der Universität Bremen, Herausgeber und Autor der "Blätter für deutsche und internationale Politik", mischt sich immer wieder lebhaft in Debatten über Finanz-und Wirtschaftskrisen ein. Den Banken wirft er vor, dass sie aus der Finanzkrise von 2008 "nichts gelernt" haben und weiter auf "Kasino-Kapitalismus" setzen, womit sie die Realwirtschaft gefährden. Telepolis sprach mit dem Ökonomen.

Telepolis

: Sie rufen in Ihrem neuen Buch dazu auf, die Banken zu zerschlagen. Was genau meinen Sie damit? Eine Abschaffung der Banken?

Rudolf Hickel

: Nein, ich meine das im Sinne der durch Schumpeter propagierten "schöpferischen Zerstörung". Die zerstörerisch wirkenden Bankenstrukturen müssen zerschlagen werden. Grundsätzlich werden neue Banken gebraucht. Ich plädiere für die dienende Funktion der Banken in der Region. Zerschlagen werden sollen die Spekulationsbanken. Es sind vier Forderungen:
Verbot von hoch gefährlichen Schattenbanken;
Geschäfte außerhalb der Börse sind an die Börse zurückzuholen;
der Eigenhandel von Großbanken, der nichts mit Kunden zu tun hat, wird beschränkt;
Risiken aus dem Investmentbanking dürfen nicht mehr an normale Geschäftskunden überwälzt werden.

Telepolis

: Wie kann denn ganz konkret das Primat der Politik zurückgewonnen werden?

Rudolf Hickel

: In einem ersten Schritt müssen die Regulierungen gesetzlich verankert werden. Dann bedarf es einer scharfen Vollzugskontrolle. Auf dienende Funktionen geschrumpfte Banken verlieren auch an Macht. Das Parlament muss wieder aus seiner "Verzwergung" befreit werden. Dazu bedarf es außerparlamentarischer Bewegungen, wie Attac und Occupy.

Telepolis

: Sie engagieren sich für ein gerechtes Wirtschaftssystem. Ist ein gerechtes Wirtschaftssystem überhaupt mit Banken möglich?

Rudolf Hickel

: Generell ist es schwierig, gegen konzentrierte Wirtschaftsinteressen ein gerechtes Wirtschaftssystem durchzusetzen. Dazu bedarf es einer Ausweitung der Mitbestimmung in den Betrieben und Konzernen sowie einer Politisierung der offiziellen Politik. Die Entmachtung der Banken ist eine wichtige Voraussetzung. Schließlich muss auch die reale Produktionswirtschaft aus den Fängen der Finanzmarktspekulanten befreit werden.

Eine marktwirtschaftliche Geldordnung braucht starke Regulierungen

Telepolis

: Ist die Frage nach einer freien Wahl der Währung hier nicht die wirklich entscheidende Frage? Frank Schäffler von der FDP setzt sich so für eine "marktwirtschaftliche Geldordnung" ein, in der es kein staatliches Geldmonopol gibt.

Rudolf Hickel

: Da sieht man, wo das radikal libertäre Denken landet. Eine marktwirtschaftliche Geldordnung braucht starke Regulierungen. Das Geldmonopol, mit dem auch über den Geldwert bestimmt wird, ist eine zutiefst staatliche Aufgabe. Denn der Geldwert ist ein öffentliches Gut. Selbst die Ultraneoliberalen sehen das so. Herrn Schäffler empfehle ich die Lektüre von Adam Smith und den Ordoliberalen, die das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft geschaffen haben. Meinem neuen Buch habe ich das Zitat von Adam Smith vorangestellt:

"Man könnte nun einwenden, es sei eine handfeste Verletzung der persönlichen Freiheit, die das Gesetz ja im Grunde schützen anstatt einschränken sollte ... Solche Vorschriften mögen, ohne Zweifel, in gewisser Hinsicht als eine Verletzung der persönlichen Freiheit betrachtet werden, doch wenn einige wenige dieses Naturrecht so ausüben, dass sie die Sicherheit des ganzen Landes gefährden können, so schränkt jede Regierung, die liberalste wie die diktatorischste, dieses Recht gesetzlich ein, und zwar ganz zu Recht. Auch die Vorschrift zum Bau einer gemeinsamen Brandmauer, um das Übergreifen von Feuer zu verhindern, verletzt die persönliche Freiheit genau auf die gleiche Weise wie das hier vorgeschlagene Bankgesetz." (Adam Smith: Wohlstand der Nationen, London, 1789, nach der deutschen Ausgabe München, 3. Auflage 1983, Seite 267)

Telepolis

: Wie stehen Sie zu dem Problem, dass Banken grenzenlos Geld aus dem Nichts schaffen können und somit die Krise immer mehr verschärfen?

Rudolf Hickel

: Die Europäische Zentralbank hat das Monopol, Geld zu schaffen. Dies geschieht über die Vergabe von kurzfristigen Krediten, die normalerweise mit Sicherheiten hinterlegt sind. Für die Geldmengensteuerung gibt es klare Regeln. Derzeit schöpft die EZB massenhaft Liquidität, weil der Interbankenmarkt versagt. Sie springt als "Lückenbüßer" für die Banken ein, die sich nicht trauen. Wenn wieder das Bankensystem durch Vertrauen untereinander geprägt ist, kann und muss sich die EZB zurückziehen. Immerhin ist bisher mit der Geldschwemme die Kreditverknappung an die Produktionswirtschaft verhindert worden.