München im Ausnahmezustand

Die Terror-Drohung und das größte Bierfest der Welt

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Der wirklich wichtige Himmel der Bayern befindet sich Ende September, Anfang Oktober bekanntlich auf der Theresienwiese. Dass er auch dieses Jahr voller Rauchschwaden hängt, die statistisch gesehen möglicherweise einigen Dutzend künftige Herzinfarkte auf den Weg geholfen haben, stört die Besucher der Festzelte, wo sich der Himmel schön weißblau aufgemalt aufwärmt, nicht; das Klopfen der Hubschrauber vom echten Himmel draußen dagegen, das nervt. Nicht weil sie dort stundenlang herumrotieren, sondern weil sie wegen Terrordrohungen herumrotieren, die man nicht einschätzen kann (siehe: Taliban und al-Qaida entdecken Deutschland).

Das Oktoberfest wird in der Taliban-Terror-Botschaft ausdrücklich erwähnt, berichtet die tz, in Bildern und in Worten würde deutlich Bezug auf das Bierfest und seine Zelte genommen (laut Spiegel wird das Oktoberfest auch von Bekkay Harrach erwähnt). Das Chaos, das die Drohungen gestern in München auslösten, ist heute in allen drei Boulevardblättern das große Thema der "Wiesn", die ohnehin die Druckerpressen immer etwas besser rotieren lässt und wichtigere Krisen vergessen.

Seit gestern hat München die Sicherheitsvorkehrungen noch einmal deutlich verschärft. Das Oktoberfest war 1980 schon einmal Schauplatz eines heimtückisch-blutigen Anschlags. Mit seinen Hunderttausenden Besuchern und den vielen Schlupflöchern rund um die Theresienwiese, die auch das größte Polizeiaufkommen nicht schließen kann, ist das Bierfest ein Soft Target erster Wahl. Insofern sind die großen Mülllaster und anderen Schwerfahrzeuge, die man als Barrikaden gegen eine mögliche Autobombe rings um die Wiese platziert hat, verständlich. Auch die Totalabsperrung für den normalen Autoverkehr in der nächsten Umgebung des Festgeländes, die verschärften Polizeikontrollen, die Taschenkontrollen. Insgesamt ergibt das ein noch mehr aufgeheiztes Klima. Anschaulich abzulesen an den wirr und nervös kurvenden Taxifahrern, die ihre zumeist betrunkene und durch die frische Luft vollends aus dem Tritt gekommene Kundschaft jetzt oft in grob verärgerter Verfassung aufnehmen, weil sie nach den Sicherheitsregelungen nun erst weit weg von den Festzelten ins Taxi steigen können, statt wie sonst immer knieend am Haupteingang auf das rettende Taxi zu warten, um vom Fahrer ins Auto und nachhause befördert zu werden.

Auch die Polizei hat sich von der Nervosität anstecken lassen und zwei Männer, mit mutmaßlich engen Kontakten ins "Islamistenmilieu" festgenommen, rein präventiv, bis zum Ende des Okoberfestes, ohne dass die Männer eine Straftat begangen hätten.

Nervös auch der "Tratsch" am Rand der Wiesn, aufgeregte Besucher erzählen von Bomben, die man in Zelten gefunden habe; die Nachricht würde freilich offiziell unter Verschluss gehalten...Anderseits ist man wieder sehr um Bierruhe bemüht: Angst?, nein, die hat keiner derjenigen, die, wie sonst auch immer, aufs Oktoberfest gehen wollen. Das mag keiner der Befragten zugeben ("war ja no scheena"). Von den Promis, die dort hinmüssen, den Geschäftsleuten und anderen Wiesn-Routiniers rotiert keiner. Die Nervösität schwindet mit dem ersten Bier, darauf verlassen sich alle. Die lange vorbestellten Tische für "Geschäftsmeetings" in den Zelten werden von den Qaida-Taliban-Drohungen nicht beeinflusst.

Bei den Eltern dagegen, gibt es eine regelrechte Absagewelle, die sich durch viele Kindergärten zieht. Der Kindernachmittag fällt aus. Ein Sieg für die Taliban in Bayern, wie eine Mutter findet: "So viel Aufmerksamkeit, das langt denen schon. Mehr brauchen die gar nicht."

(siehe dazu auch: Erwartbare Reaktionen auf ein Video mit Terrordrohungen)