Zentral - Dezentral?

Wie soll sich die regenerative Stromversorgung zukünftig organisieren?

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Besitzstruktur der EE Erzeugerleistung an der bundesweit installierten EE-Leistung von 43 GW Ende 2009

Lokale Erzeugung und Nutzung, noch mehr Hochspannungsleitungen oder gar der europaweite Zusammenschluss der Stromnetze? Zur Zeit melden sich Fürsprecher aller drei Szenarien zu Wort. Die Agentur für Erneuerbare Energien hat die Studie Kraftwerke für Jedermann zu den momentanen Eigentumsverhältnissen bei der Erzeugung von regenerativen Strom vorgestellt. Während die Fernleitungen weiter in der Hand der vier Stromkonzerne sind, zeigt sich die Erzeugerlandschaft schon wesentlich vielfältiger. Eine Chance zum Wandel von unten, für mehr lokale Wertschöpfung und effizientere Nutzung der Bandbreite der Stromnetze.

Der Bundesverband Solarwitschaft (BSW) geht davon aus, dass durch den Umstieg auf blindleistungsregelungsfähige Wechselrichter die Aufnahmefähigkeit der Verteilnetze verdreifacht werden kann. Außerdem gelte für den Solarstrom, dass er die Fernleitungen gar nicht belaste. Zur Zeit wird Solarstrom dezentral und zu 98 Prozent in der Niederspannungsebene eingespeist. Weniger als 0,03 Prozent aller Solaranlagen haben ihren Netzverknüpfungspunkt mit der Hochspannungsebene. Das sind die Photovoltaik-Anlagen im Multi-Megawatt-Bereich.

Der Ausbau der Photovoltaik in Deutschland auf die geplanten 52 GW innerhalb der nächsten 10 Jahre wird sich deshalb vor allem in den lokalen Verbrauchsnetzen abspielen. Erst die zunehmende Zentralisierung durch weitere Großkraftwerke würde den Netzausbau der Fernleitungen nötig machen. Es ist also eine Richtungsentscheidung, ob die Städte mit Solardächern ausgestattet werden oder Off-Shore-Windkraft, Desertec oder Wasserkraft aus Norwegen und Island die Zielrichtung sind.

Die Bundesnetzagentur hat sich bereits festgelegt und setzt auf mehr Netzausbau. Das Deutsche Fernleitungsnetz von jetzt 35.000 km solle um weitere 3.500 km ausgebaut werden, vor allem im Höchstspannungsbereich. 20 Mrd. Euro Investitionen seien dazu notwendig. Doch wozu soll das gut sein: für mehr regenerativen Strom im Netz oder nur für mehr Handel mit Strom? Wohl vor allem für den Stromhandel: Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur, bezeichnete die aktuelle Entscheidung der Stromnetzbetreiber und Energiebörsen aus Deutschland, Frankreich und den Benelux-Staaten, ihre Strommärkte zusammenzuschließen als " Riesenschritt auf dem Weg zur Vollendung des europäischen Energiemarktes". Seine Vision: ein gemeinsamer Strommarkt von Hammerfest bis Marseille, von Lissabon bis Athen.