Spaniens neue Negativrekorde

Die Arbeitslosigkeit stieg auch im November deutlich an und die Probleme für neue Regierung werden dringender

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Es war zu erwarten, dass Spanien alle Negativrekorde schlägt. Am Freitag hat das Arbeitsministerium verkündet, dass erneut fast 60.000 Menschen ihren Job verloren haben. Das Ministerium gibt die Arbeitslosenzahl mit gut 4,4 Millionen an, doch real ist sie höher. Im Oktober hatte die Nationale Statistikbehörde (INE) die "Studie zur erwerbstätigen Bevölkerung" (EPA) vorgelegt, wonach es Ende September schon fast fünf Millionen Arbeitslose gab. Seither haben weitere 200.000 Menschen ihren Job verloren. Da Spanien nur etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung hat, ergab sich nach Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat schon im Oktober eine saisonbereinigte Arbeitslosenquote von 22,8 Prozent.

Allerdings gibt auch das Ministerium Hinweise darauf, dass real mehr Jobs verloren gingen. Denn die Zahl derer, die im November aus der Sozialversicherung ausgeschieden sind, wird mit fast 112.000 beziffert. In diesem Jahr nahm die Zahl der Arbeitslosen sogar fast drei Mal so stark zu als im November 2010. Die Herbstbelebung fällt aus und es verstärken sich die Hinweise, dass das stagnierende Land in die Rezession zurückrutscht. Nur zu Beginn der Krise, nachdem die Immobilienblase im Land 2008 platzte, war die Arbeitslosigkeit noch stärker angestiegen.

Nach Einschätzung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) soll die Arbeitslosigkeit auch im kommenden Jahr weiter wachsen. zudem beginnt sie nun auch Löcher in die Staatsfinanzen zu reißen. Hatte Spanien in der Sozialversicherung selbst in den bisherigen Krisenjahren noch einen Überschuss, musste die Regierung nun einräumen, dass es zum Jahresende erstmals wieder ein Defizit geben könnte. Der Staatsekretär im Arbeitsministerium, Octavio Granado, machte dafür vor allem fehlende Einnahmen verantwortlich.

Dabei sinken die Ausgaben für Arbeitslose trotz steigender Arbeitslosigkeit. Im Oktober 2011 wurden dafür fast 2,5 Milliarden Euro ausgegeben und das waren 4,4 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Dahinter verbirgt sich ein Drama für viele Familien. In fast allen spanischen Regionen wird ein Sozialgeld von 400 Euro nur für sechs Monate an die gezahlt, die ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld ausgeschöpft haben. Wenn die allgemeinen Ausgaben für Arbeitslosigkeit sinken, obwohl die Arbeitslosenquote steigt, bedeutet das, dass immer mehr Menschen keine Unterstützung mehr erhalten.

Die Löcher in den Sozialkassen sind aber nur ein kleiner Grund, warum Spanien das Haushaltsdefizit wohl nicht wie geplant senken kann. Nachdem das Land sein Defizit 2010 leicht auf 9,3 Prozent gesenkt hatte, will es das Defizit 2011 auf sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts drücken. Dagegen spricht aber die explodierende Zinslast. In den letzten Monaten haben sich die Zinsen für spanische Anleihen vor allem für Anleihen mit drei oder sechs Monaten mehr als verdoppelt. Am Donnerstag sind die Renditen auf einen neuen Rekordwert gestiegen. Das Land musste für Staatsanleihen mit fünfjähriger Laufzeit schon 5,28 Prozent bieten. Zehnjährigen Anleihen werden bisweilen schon zu Renditen von fast sieben Prozent gehandelt. An der Marke mussten Griechenland, Irland und Portugal unter den Rettungsschirm gehen.

Dass das Defizitziel 2011 verfehlt werden dürfte, hängt auch mit einer mangelnden Haushaltsdisziplin in einigen der 17 Autonomen Regionen zusammen. Am Donnerstag hat deshalb der Wahlsieger Mariano Rajoy die Lokalfürsten seiner Partei einbestellt. Denn der Chef der Volkspartei (PP) wird noch vor Weihnachten neuer Ministerpräsident und er muss nun für Haushaltsdisziplin sorgen. Zwar predigt die PP gerne Austerität, doch ausgerechnet die traditionell von ihr regierten Regionen sind extrem verschuldet.

Die Schulden der Regionen sind im zweiten Quartal 2011 sogar um 23,5 Prozent auf mehr als 133 Milliarden Euro angeschwollen. Spitzenreiter war das traditionell unterfinanzierten Katalonien mit fast 39 Milliarden Euro, das überdurchschnittlich zur Wirtschaftsleistung des Landes beiträgt. Neben der Region mit 7,5 Millionen Bewohnern sticht die PP-Hochburg Valencia mit Schulden in einer Höhe von fast 21 Milliarden hervor. Allerdings leben dort nur 2,6 Millionen Menschen. Valencia liegt deutlich vor der PP-Hochburg Madrid. Die Hauptstadtregion mit gut sechs Millionen Einwohnern hat 15 Milliarden Schulden angehäuft. Dahinter kommen das arme von den Sozialisten regierte Andalusien und danach sofort die kleine PP-Hochburg Galicien.

Rajoy schwor seine Regionalfürsten nun auf Haushaltsdisziplin ein, weil er das Defizit im 2012 auf 4,4 Prozent senken muss. Er will ihnen aber einen Aufschub von bis zu zehn Jahren zur Rückzahlung der Schulden an den Staat gewähren. Angesichts der hohen Verschuldung wollten die bisher regierenden Sozialisten das den Regionen nicht ermöglichen, damit sie ihr Defizit schneller abbauen. Doch diese Sparziele bedeuten massive Einschnitte in der Höhe von 30 Milliarden Euro. Experten erwarten, dass die Rezession noch tiefer geht als erwartet und Arbeitslosigkeit noch stärker steigt, womit neue Löcher in die Sozialkassen gerissen werden.