Iran, Interpol und der neue Verteidigungsminister

Die argentinische Staatsanwaltschaft verdächtigt den neu gewählten Chef des iranischen Verteidigungsministeriums, General Ahmad Vahidi, dass er hinter einem blutigen Anschlag auf ein israelisches Gemeindezentrum 1993 in Buenos Aires steckt

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Mit großer Mehrheit wählte das iranische Parlament gestern General Ahmad Vahidi zum Innenminister. Mit 227 Stimmen für ihn und 54 Gegenstimmen (bei 5 Enthaltungen) erhielt der General die meisten Stimmen der Parlamentarier unter den insgesamt 21 Kandidaten für einen Ministerposten, die Präsident Ahmadinedschad der Madschlis zur Abstimmung vorschlug. Zum ersten Mal seit der Revolution von 1979 findet sich eine Frau im Kabinett - Marzieh Vahid-Dastjerdi, die mit 175 Stimmen (und 82 Gegenstimmen) als Gesundheitsministerin akzeptiert wurde. Zwei andere Frauen, die Ahmadinedschad für das Wohlfahrts-und Sozialministerium sowie das Bildungsministerium vorgeschlagen hatte, wurden ebenso wie der Kandidat für das Energieministerium von den Parlamentsmitgliedern nicht angenommen. Weegen mangelnder Kompetenz, wie es heißt; ein Vorwurf, der diesmal gegenüber mehreren vorgeschlagenen Kandidaten laut wurde.

Die Position Ahmadinedschads zeigt sich durch das neue Kabinett als gestärkt - unter den Ministern findet sich kein Geistlicher. Dafür sollen ausnehmend viele "Militärs und ehemalige Kommandanten der Revolutionswächter" vertreten sein. Hervorgehoben wird in diesem Zusammenhang der alte Verteidigungsminister und neue Innenminister Mohammad Nadschar, ein General der Revolutionären Garden, der "unter den Pasdaran-Kommandeuren als ein Mann der härtesten Linie gilt", wie ihn etwa Ralph Chimelli von der SZ beschreibt.

Die Wahl General Vahidis sorgte für das größte Aufsehen - als der Parlamentspräsident Ali Laridschani, hierzulande bekannt als früherer Unterhändler in den Verhandlungen über das iranische Nuklearprogramm, das Ergebnis verkündete, sollen die Abgeordneten, wie mehrfach berichtet wird, "Tod Israel" skandiert haben.

Die Kandidatur des Generals wurde im Westen - besonders in Argentinien und in Israel - heftig kritisiert, da Vahidi verdächtigt wird, eine "Schlüsselfigur bei der Planung und der Entscheidung zur Ausführung" eines Anschlags gewesen zu sein, der 1994 in Buenos Aires ein großes Blutbad in einem jüdischen Gemeindezentrum anrichtete. Der zitierte Vorwurf stammt vom argentischen Staatsanwalt Alberto Nisman. Zwar sei Vahidi selbst niemals in Argentinien gewesen, so der Staatsanwalt, aber es sei "bewiesen, dass er bei einem Treffen in Iran, am 14.August 1993, an der Entscheidung teilhatte und ihr zustimmte, wonach die AMIA (Asociación Mutual Israelita Argentina, Einf. d.A.) angegriffen werden sollte".

Bei dem Anschlag, der weltweit für große Bestürzung sorgte, kamen 85 Menschen ums Leben; mehr als 300 wurden schwer verletzt. Iran leugnet jede Beteiligung. Laut einem Bericht der New York Times aus dem Jahr 2003 beschuldigte ein Überläufer des iranischen Geheimdienstes in einer Zeugenaussage für ein argentinisches Gericht eine Gruppe ranghoher Regierungsvertreter aus Teheran, dass sie den Anschlag im Auftrag des höchsten Führers Ayatollah Ali Khamenei selbst geplant hätten.

In Zusammenhang mit dem Anschlag in Argentinien hat Interpol 2007 sechs Iraner auf seine Red-Notice-Liste gesetzt - - sehr zum Missfallen Teherans. Bemerkenswert ist, dass auf der Interpol-Liste, die derzeit von vielen Medien erwähnt wird, auch ein Kandidat der iranischen Präsidentschaftswahlen steht, nämlich Mohsen Rezai. Dessen mutmaßliche Beteiligung am Anschlag von Buenos Aires war aber ebensowenig lautes Thema der Medien wie seine Nennung auf einer Interpol-Liste (vielleicht weil sich Rezai, obschon ebenso wie Vahidi ein früherer Führungsmann der "Revolutionären Garden", im Westen Sympathiepunkte holte, da er sich - für kurze Zeit - jenen anschloss, die gegen Ahmadinedschad am Wahlergebnis zweifelten). Gemäß der Red-Notice-Liste, die wie Interpol erklärt, anders als dies in manchen Meldungen berichtet wird, kein internationaler Haftbefehl ist, wird auch Rezai von argentinischen Behörden gesucht.

Der neue iranische Verteidigungsminister bezeichnete seine Nominierung als "Ohrfeige für Israel".