Der Hindukusch schlägt nicht zurück

Die Terrorwarnungen vor der Wahl waren heiße Luft. Was bedeutet das?

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So funktionieren die Medien und so funktioniert die gesellschaftliche und individuelle Aufmerksamkeit. Eigentlich hat die Drohungen, die aus dem Hindukusch, wo Deutschland angeblich verteidigt wird, kamen, niemanden wirklich beeindruckt. Sie waren, wie man so schön sagt, abstrakt.

Gleichwohl gab es große mediale Aufmerksamkeit über die potenzielle Bedrohungslage, was eigentlich deutlich macht, dass viele glauben, der Einsatz in Afghanistan ziehe erst Extremisten nach Deutschland oder wecke diese in Deutschland auf. Die Sicherheitsbehörden waren vermutlich hin- und hergerissen, in Bayern gab man schließlich in Bezug auf das Oktoberfest doch nach und verstärkte die Überwachung, was gleichzeitig die Angst schürte und den Drohern mit ihrer "Propaganda der Tat" große Bedeutung zuschob.

Dass dann nicht geschah, ist hingegen medial kaum zur Geltung gekommen. Hans Leyendecker fragt, ob al-Qaida geblufft habe? Terrorexperten, also Menschen, die irgendwie dazu ernannt werden, hatten gemeint, al-Qaida würde sich wohl blamieren, wenn nach einer Drohung nicht passiere. Aber was ist schon al-Qaida? Und könnte man sich jetzt nicht beruhigen, da offenbar die islamistischen Terroristen von al-Qaida und Taliban keine willigen Schläfer haben, um Drohungen wahrzumachen?

Wirkung haben die Drohungen gezeigt, weswegen es ja nicht gleich ein Anschlag sein muss, vor allem dann, wenn alle willfährig einsteigen und die Botschaft sowie die Angst verbreiten. Immerhin, die Süddeutsche hat auf die Anschlagsdrohungen einen Rückblick gemacht, kommt aber zu dem Schluss, wie Hans Leyendecker angebliche Erkenntnisse dänischer Geheimdienstmitarbeiter wieder gibt: "Folglich hat al-Qaida ein Ziel verfehlt. Die Gefahr sei damit aber nicht vorbei, erklärte einer der dänischen Gesprächspartner dem deutschen Innenstaatssekretär Hanning. Diese Terroristen hätten Geduld, und Zeit spiele bei ihnen keine Rolle."

Der investigative Journalist gibt also Meinung wieder, ganz ohne Bewertung, was allerdings nicht trügt. Denn so, wie der Artikel endet, wird suggeriert, die Gefahr sei weiterhin vorhanden. Das hieße, man müsse auf jede noch so abstrakte Drohung entsprechend mit Schutzmaßnahmen und gesetzlichen Initiativen reagieren. Vermutlich wird andersherum ein Schuh daraus. Terroristen und Sicherheitskräfte leben voneinander und brauchen einander. Wenn die Drohungen von al-Qaida und Taliban nicht umgesetzt werden können (oder gar nicht so gedacht sind), dann sind die lokale Kräfte nicht entgschlossen genug oder es gibt schlicht keine. Deutschland wird nicht am Hindukusch verteidigt, sondern auch weiterhin in Deutschland.